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Wand und BodenDie Künstlerin als Leerstelle

■ Kunst in Berlin jetzt: Soziale Künstlerförderung, Claudia Hart, Rachel Whiteread

Wenn die Behörde zum Kunst- Mäzen wird, fallen eine ganze Menge Zahlen zur Verwaltungsarbeit an. So auch bei der Sozialen Künstlerförderung: Im Jahr 1993 wurden für 1,46 Mio. Mark Werkverträge mit über hundert bildenden KünstlerInnen abgeschlossen; seit 1950 hat das Land Berlin auf diesem Wege 30.000 Kunstwerke angekauft, ohne den Fördertöpfen des Kultursenats ins Gehege zu kommen. Große Formate von Georg Baselitz landen in der Berlinischen Galerie, ein gestisch-abstraktes Bild von Antal Lux kommt ins Büro des Bürgermeisters und für die Öl-, Fett- und Seifen-Zeichnungen von Norbert Stück haben beide Institutionen einen Platz gefunden. Eine Sammelstelle für 145 weitere Bilder und Skulpturen ist zur Zeit das Neue Kunstquartier Berlin auf dem AEG-Gelände an der Gustav-Meyer-Allee 25 – Gebäude 13, Aufgang V.

Schon beim Eintritt in die verwinkelten Kojen der Dachetage mit dem mustergültigen Oberlicht fällt auf, wie leicht eine summierende Werkschau ohne explizite Kriterien ins Dekorative abzudriften droht. Schön symmetrisch im Format-Wechsel gehängt, rauschen die Gemälde vorbei wie aus dem Zugfenster betrachtete Landschaften. Selbst bei den Plastiken wurden eventuelle Spannungen zen-tauglich wegarrangiert.

Zwischendrin stechen Arbeiten ins Auge, die sich direkt auf Vorbilder zu beziehen scheinen. Dieter Gerbeths Stilleben mit Bauklötzen erinnert an die sparsame Architektur eines De Chirico, auf den Streifenbildern von Frank Goldewey spiegeln sich moderne Maler-Tricks wider: von der Wischtechnik Gerhard Richters bis zum Farbauftrag bei Frank Stella – als wäre der Lack gerade frisch dem Eimer entnommen.

Mi-So, 12–20 Uhr.

Auch Claudia Hart setzt sich im Studio III des Künstlerhaus Bethanien mit den bildnerischen Möglichkeiten der klassischen Moderne auseinander. Ein schwach schimmerndes Gelb zitiert Farbe als Zeichen der Abstraktion: Die rechteckige Einheit zerfällt in regelmäßig wiederkehrende Flächen, die wie vergilbte Wasserschäden an der Zimmerdecke wirken. Soweit der unterschwellige Minimalismus. Doch die Kunstgeschichte bleibt nur im Bildgrund historisch, von einem Bezugsrahmen aus Texten, Symbolen und Genres überlagert.

Ironisch spielt Not an angel mit der Selbst-Inszenierung der Künstlerin als Leerstelle. Stellvertretend übernimmt Hart Sätze aus dem gesellschaftlichen und politischen Wertekanon, mit denen sie die Bildfläche besetzt. Von Schuld ist die Rede — und vom Scheitern der Kunst, die solches darstellt. „No generation without corruption“ konterkariert politically correctness und akdemischen Ehrgeiz, „Art degenerates as it approaches the theatrical“ kritisiert die letzte Nische der Verweigerung. Kunst kann immer nur entweder verschwinden oder etwas anderes sichtbar machen.

Der Kommentar zum Paradox von Kunst und Leben wird auf allen Ebenen wiederholt und ins Absurde übersteigert. Die Bilder reihen sich wie Spielkarten mit Motiven aus der Commedia dell'arte aneinander. Sie alle tragen die Züge von Hart selbst. Dazwischen hängen unscharfe Fotos einer aufgeregten Menge im Zirkus. Einerseits nimmt die Künstlerin wie Beckmann auf seinen Portraits zumindest als stummer Beobachter am sozialen Geschehen teil. Dann aber entzieht sie sich: Der Propagandist vereinfacht übermäßig, wie es in einer Unterzeile heißt. Hinter diese Aussage kann Hart nicht zurück, selbst wenn sie sich ihr ungeschminktes true self auf vier ovalen Selbstbildnissen mit säuerlichem Gesichtsausdruck und vorgehaltener Pistole vorstellt.

Bis 21.11., Mariannenplatz 2, Di-So 14–19 Uhr.

Die schulheftgroßen Bilder von Rachel Whiteread haben mehr den Charakter von Vorarbeiten, trotzdem kann man an den Konstruktionszeichnungen der englischen Bildhauerin rasch die bekannteren Gummimatratzen und Wohnungsabgüsse nachvollziehen. Ohne site-specific einzugreifen, hat Whiteread die bauliche Struktur der DAAD-Galerie im Bild festgehalten. Eine Vielzahl der Gouachen aus fahl mit sattem Deckweiß angemischten Wasserfarben beschäftigen sich mit der Beschaffenheit des Parkettfußbodens: Zackenornament, Zopfform, Kreuzmuster und Karokästchen spiegeln proportional verkleinert das simple Raster der Innenarchitektur wider. Saubere, fast unspektakuläre Arbeiten aus dem Architektenbüro, wie zur Entspannung für späte Sonntagnachmittage auf Millimeterpapier gemacht. „Study for a room“ vereinfacht ein Zimmer zentralperspektivisch, trotzdem läßt sich das Volumen der kargen Abbildung erahnen — auch wenn die Skizzen von den wirklichen Abbruchhäusern, in denen Whiteread sonst die Innenräume abgießt, weit entfernt sind.

Statt des gewaltsamen, aber mimetisch sich anschmiegenden Eingriffs, der das Innere nach Außen kehrt und die Trennung von negativ / positiv aufhebt, sind die Studien seltsam imaginär, vom sozialen Kontext losgelöst. Vom Bauen und Wohnen bleibt nur das Denken übrig, teilweise scheint Whiteread die Abstraktion von Raum als Fläche zu genügen. „Study for a house“ zeigt die Umrisse eines Gebäudes, das vollständig mit weißem Acryl übermalt wurde. Entgegen der räumlichen Struktur wird die Oberfläche in den Vordergrund gestellt, die pastose Farbe ersetzt den Putz. Die Zeichnung dient zwar als Brückenschlag zur plastischen Gestaltung, dennoch erscheint sie wie auf einer Bühne – und entzieht sich so dem realen Objekt. Richard Serra arbeitet ähnlich.

Bis 5.12., Kurfürstenstraße 58, täglich 12.30–19 Uhr. Harald Fricke

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