Wand und Boden: Leben mit Lego
■ Kunst in Berlin jetzt: Julian Opie, Marcel Broodthaers, Sigalit Landau
Hohe Decken, glatter Boden, ein bißchen Stuck: Die Galerie Barbara Thumm ist für Auguststraßenverhältnisse erstaunlich gut ausgebaut. Die Ladenfensterfront läßt alles im white cube recht übersichtlich erscheinen, schon vom Fußweg aus hat man jedes Objekt fest im Blick. Offenbar hat Julian Opie diese Situation sehr gut gefallen, denn die Skulpturen und Wandzeichnungen des britischen Bildhauers, der früher in Tony-Cragg- Tradition mit Alltagsmaterial bastelte, sind beinahe wie Raumteiler eingesetzt. Vorne bilden zwei solide brusthohe Objekte bunt bedruckt mit Quader-Autos einen schmalen Gang, dahinter sind drei Barock-Türme plaziert, und an die Wände sind scharf in schwarz auf weiß Fassaden von Glasarchitektur à la Oswald Matthias Ungers oder Gründerzeitbauten als Schablonen gemalt.
Natürlich macht eine solche Häufung an Ebenmaß stutzig: Die ganze Installation ist selbst ein Bild, dessen Perfektion ins Gegenteil umkippt. Opies am Computer errechnetes Minimalmodell einer Stadt beschreibt in seinen puristischen Formen auch das Scheitern der Utopie vom modernen Leben. Der rechte Winkel hat gesiegt, das Ambiente bleibt seelenlos. Die übertriebene Reduktion spiegelt sich auch in der Gestaltung wider, die Türme sind mit beliebig zitierbaren Kirchenvorbildern lackiert, die Autos hat Opie einfach als eckige Form wie aus einem konstruktivistischen Baukasten entworfen. Seine Stadtlandschaft ist ein Legoland des Designs, keines der keimfreien Objekte steht mehr im Verhältnis zum tatsächlichen urbanen Raum. Für den englischen Kunstkritiker Michael Friedman verkörpert diese Art Architektur eine Atopie, einen Nicht-Ort. Darin kommen Opies Ensembles den Vorgaben am Computer ziemlich nahe – nicht als Wunschtraum, sondern als Ernstfall.
Bis 11. 7., Di.–Fr. 14–19, Sa. 14–17 Uhr, Auguststraße 22
Das abgewetzte Set mit Spielklötzchen könnte als junge britische Popkultur durchgehen und die schwarzen Gummistiefel mit silbernem Glitteraufdruck sehen ganz modern aus. Was immer Marcel Broodthaers während seiner kurzen Karriere als verstiegener Konzeptualist zusammengetragen hat, es paßt in die Sammlungen zeitgenössischer Kunst. Im Martin-Gropius-Bau etwa sind seine Museums-Plaketten und Leinwandstapel eher obskur wie Kaufhausware ausgestellt; bei Rainer Borgemeister in der Galerie erfährt man ein wenig mehr über die Beweggründe des 1976 verstorbenen Belgiers.
Auch „a, b, c“ kommt ohne Erklärungen aus. Allerdings merkt man den ausgewählten Objekten, Gemälden und Fundstücken eine tiefe Liebe zur Schrift als durchgehendes Motiv bei Broodthaers an. Schon seit den spätvierziger Jahren arbeitete er als Antiquar und Journalist, entsprechend groß ist sein Interesse am Text, aus dem die zumindest vorgestellte Welt hervorgeht. Eine Europakarte wird mit Buchstaben versehen, so daß jedes Land sich dem Alphabet unterordnen läßt. Von Benelux bis zur UdSSR geht es sehr chaotisch zu, nur am Mittelmeer ist die Reihenfolge präzise markiert. Ansonsten reicht ihm für die meisten Exponate die Andeutung des Systems, nach dem jedes Ding durch Zeichen klassifiziert wird. Im Rückgriff auf Marcel Duchamps Schachbegeisterung besetzt er das dazugehörige Brett mit Lettern – strategisch äußerst zweifelhaft. Das typographische Gewirr auf grau unterlegter Fläche wiederum macht aus dem monochromen Bild ein Testprogramm für Kurzsichtige. Trotzdem produziert Broodthaers weder Kommentare zur Ästhetik, noch übersetzt er Kunst in Schrift. Alle Spannung zwischen Bild und Text entsteht nur aus der strukturellen Ähnlichkeit der Zeichen. Manchmal wird diese foucaultsche Denkart eng am Werk durchgeführt: Auf drei Tafeln stehen die Worte „Copie“, Peint“ und „Parle“, daneben hängen zwölf gerahmte Postkarten nach religiösen Gemälden des Duc de Berry. Was am Anfang war, muß sich der Betrachter selbst zusammenreimen.
Bis 5.7., Mi.–Fr. 15–19, Sa. 12–19 Uhr, Rosenthaler Str.40/41
Wie es sich für achtbare Skulpturen gehört, hat man bei den Arbeiten von Sigalit Landau ungeheuer viele Ansichten. Bei ihrer weiß lackierten Bronzefigur etwa wurde ein orientalisches Pißbecken auf schlanke Frauenbeine montiert, die in islamischer Gebetshaltung gen Mekka knien. Für ihren „Compressed Household“ hat die 27jährige Künstlerin aus Jerusalem Matratzen, Bettwäsche, Wolldecken und ein Fotoalbum zwischen fette Stahlverstrebungen gezwängt, deren Spannung nun die Wände der Galerie Contemporary Fine Arts auseinanderdrückt. Das Zelt im Vorderraum besteht aus einer gefalteten Stahltür, hinter der man auf der einen Seite eine Notunterkunft sieht, auf der anderen die breiten Spiegel einer Grenzkontrolle. Das alles wirkt unwirklich, poetisch, manchmal sogar surreal. Dennoch sind die Installationen von Sigalit Landau den komplizierten Beziehungen im Alltag zwischen Juden und Palästinensern abgeguckt. Andererseits hat auch das Studium bei Hans Haacke einige Spuren hinterlassen: Seit zwei Jahren tippelt Landau mit ihren Skulpturen auf dem schmalen Grad zwischen aggressiver Politkunst und versöhnlichen Arbeiten im öffentlichen Raum. Die zusammengepreßte Habe war ursprünglich in einer Bushaltestelle befestigt, um den Berufsverkehr mit dem nomadischen Driften von Obdachlosen abzugleichen. Das Zelt mit seinem ebenso karg wie lauschig ausgestalteten Innenraum wiederum soll sich von der beigefügten Überwachungsanlage abgrenzen. Territorien allerorten. Mit diesem Konzept ist die israelische Künstlerin von Catherine David zur documenta eingeladen worden.
Bis 31. 7., Di.–Sa. 10–18 Uhr, Sophienstraße 21 Harald Fricke
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