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Wand und BodenWischt den Ford!

■ Kunst in Berlin jetzt: Schauffler, Lindner, Bauen und Bauten, Rau-Häring

Die acht Leinwände in den Räumen von Wiensowski & Harbord sind nach heutigen Maßstäben von mittlerem Format. Matthias Schauffler hat mehrfache Lagen Ölfarbe auf sie aufgebracht, die er schwarz übermalte, um sich schließlich für Grün zu entscheiden.

Grün ist ziemlich okay. Mal explodiert es licht und frühlingsfreundlich auf der Malfläche, und ein anderes Mal hält es sich – in dumpferen Tönen gemischt – eher bedeckt. Nie kommt es militärisch daher. Manchmal stiehlt sich das Schwarz auch als fette linke obere Ecke aus dem Grünfeld davon.

Als mögliche Referenzen seiner Abstraktionen nennt Schauffler, der interessanterweise Kippenberger-Schüler war, Giacometti, Cézanne, Warhol und Madonna. Madonna ist klar, für was stünde sie nicht? Warhol leuchtet ebenfalls ein, wenn Schauffler es tatsächlich hinkriegt, daß seine Bilder nur in der kompletten Serie denkbar sind. Das hat im malerischen Raum schon die Sensation des Neuen. Im Einzelbild gibt es nur Expression, in der Reihung dagegen Absichten.

Bis 12.4., Fr.–Sa. 15–19 Uhr, Goethestraße 69

Im traditionellen Sinne nicht mehr gemalt sind die Bilder von Gernot Lindner, die die museumsakademie berlin zeigt. Sie sind reine Materialcollagen, und zwar aus Holzteilen und Stoffen. Lindner benutzt Geschirrtücher, grobgewebte Leinentücher, Wolldecken – öffentliche Stoffe sozusagen, mit eingewebten Streifen, die signalisieren, daß die Decke aus der Jugendherberge oder der Armee stammen könnte.

Der Schritt weg von seinen früheren Bildern, die die architektonische Haus- oder Raumwand malerisch fortschrieben, ist jedoch größer, als Lindner ahnen mag. Bei seinen neuen „Relating Pieces“ fällt jedenfalls zuviel Nostalgie für altes Leinen, zuviel Bastelei auf, die es in seiner kühlen Architekturmalerei nicht gab. Unbedingt sehenswert ist jedoch eine Serie von neun kleinen „Photo-Relatings“, sorgfältig und bedacht zusammengefügten Montagen von Fotografien, die für den Künstler signifikante Hausmauern zeigen. Aus dem dokumentarischen Material ergeben sich so fiktionale, neue Wände, deren farbliche und formale Schönheit sein eigentliches Ziel, das gelungene Bild, erkennen läßt.

Bis 4.4., Di.–Sa. 14–19 Uhr, Rosenthaler Straße 39

Der künstlerischen Auseinandersetzung mit „Bauen und Bauten“ spürt auch Klaus Fischer in seiner Dependance Kunst Mitte Berlin nach. Zeichnungen, Skulpturen, Fotografien und Malerei von nicht weniger als siebzehn Künstlern und Künstlerinnen werden in diesem Zusammenhang präsentiert. Und es funktioniert erstaunlich gut. Die Arbeiten lassen sich aus dem jeweiligen Werkkontext verstehen, aber sie finden auch aus dem Umgang mit Fläche und Raum einen erstaunlich unkomplizierten Weg in die architektonische Phantasie beziehungsweise Wirklichkeit.

Der britische Bildhauer Richard Wilson zeigt drei Projektskizzen. Einmal soll die Fassade einer alten Mühle mit Neoleuchten nachgezeichnet werden, die so angebracht sind, daß es nachts, wenn sie leuchten, scheint, als ob sich das Haus bewegt. Das andere Mal will er tatsächlich ein Gebäudeteil, nämlich ein Treppengeländer, in Bewegung bringen. Diesen Zeichnungen gegenüber hat Adam Page, der auf der documentaX den VIP-Raum am Friedrichsplatz erstellte, gemeinsam mit Eva Hertzsch vier DIN-A1-Plakate gehängt: „Projekt Deutsche Einheit“ steht auf allen als Logo zu lesen, und weiter: „Ein Ort zum Staunen!“ Fürwahr. Mit Modellbauteilen der Faller- Eisenbahn entwarfen Page/ Hertzsch eine grausige Pseudo- Investment-Werbung mit Sinnsprüchen der Deutschen Bank, die der häßlichen Wirklichkeit – nicht nur der in der Provinz, sondern auch der der Friedrichstraße – erschreckend nahekommt.

Gegen diesen Frontalangriff steht Ute Pleugers minimalistische Poesie „Überschwemmung“, in der quadratische Häuschen auf breiten, grau-grünen Pinselstrichen dahintreiben. Oder Bartolomé Payeras- Saloms Zeichnung einer Stadtrandsituation, die an die schwarzweißen SlipStream- Fotografien von Sophy Rickett erinnern. Bedeutungslose Randbebauung, undeutbare Verkehrsinseln, leere Straßen.

Bis 11.4., Mi.–Fr. 14–19, Sa. 12–16 Uhr, Auguststraße 19

Sehr viel konkreter als die Architektur sprechen die Autos von der Zeit, in der wir uns befinden. Die „Autowichser am Sonntag“, die Nelly Rau-Häring 1966 in Berlin-Moabit aufnahm, sind daher ein Schocker. Sehr komisch, ein bißchen tragisch, vor allem aber so fremd und vertraut zugleich ist das Bild der Männer mit den Wassereimern, die eine ganze Straße lang mit Schwämmen und Tüchern an ihren Ford Taunus, ihren Kadetts und auch mal ihrem BMWs herumschrubben und -polieren: Eine ganze Sozialgeschichte der 60er Jahre in zwei Bildern.

Daß das „Tanztunier im Prälat Schöneberg“ rund zwanzig Jahre später stattfindet, scheint fast nicht glaubhaft. „Von Gestern bis Heute“ heißt Rau- Härings Ausstellung bei argus fotokunst, und da sind es tatsächlich nicht so sehr die wunderbaren Bilder der 18-/19jährigen Fotografin aus den 60er Jahren, die erstaunen, und auch nicht die von heute, sondern es sind die Fotografien aus den 80er Jahren. Es muß ein geradezu grotesker Stillstand gewesen sein in Berlin zu dieser Zeit. Da gab es alte Damen „Auf dem Kurfürstendamm“, die man heute nicht mehr treffen könnte. Quadratisch in einen Ledermantel verpackt, kaum höher als der Bernhardiner, den sie an ihrer Seite führten. Da lag Berlin noch immer in seinem Dornröschenschlaf, hinter der Mauer.

Bis 29.3., Mi.–Sa. 15–18, So. 14–17 Uhr, Marienstraße 25

Brigitte Werneburg

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