: Wallers bunte Weisen
■ Das Imperial Theater zeigt die Revue „Ich bleibe züchtig“
Rekapitulieren wir kurz. Es gibt in der Sparte Musical die 50er Jahre (Grease, Fifty-Fifty, bald Buddy), es gibt seit kurzem wieder die 20er Jahre (Boyfriend) – dazwischen fehlt doch was! Richtig, die 30er und 40er Jahre. Nun waren die 40er gar nicht so lustig. Aber die 30er geben was her, und das Imperial Theater hat sich ihrer jetzt angenommen: In ihrer Revue Ich bleibe züchtig zeigt es einen bunten Melodienbogen des amerikanischen Komponisten Fats Waller.
Möchtegerndiva und schmieriger Typ, kreischige Göre und verruchter Vamp – sie alle stellen sich auf spärlich ausgestatteter Bühne in Position und beginnen zu Wallers Weisen zu singen. Auf deutsch, denn Iris Schumacher und Frank Thannhäuser wollten den Flair der Songs unbedingt auf das Ambiente St. Paulis übertragen. Was wir zwar für falschen Provinzialismus halten, aber nicht unbedingt weiter bekritteln mögen.
Zumal – wenn man denn Klischees zeigen will – gar nicht so schlecht war, wie die Klischees auf die Bühne geholt wurden. Und aufgrund der funktionierenden Musik-Arragements ist der Abend auch durchaus annehmbar. Ob er wirklich gut ist, ist eine andere Frage. Man wird sie wohl verneinen müssen. Aber zwischen Musicalmachern und dem Publikum scheint es ja sowieso eine Geheimabmachung zu geben: daß die Aufführung wirklich mitreißend ist, erwartet anscheinend keiner, beklatscht wird der Wille, nicht das Können.
Zwei Dinge haben uns aber wirklich entzückt: das – kein Witz! – herzergreifend offene Lachen der Frau am Schlagbaß – es war (neben der Musik) das einzig Echte an diesem Abend. Zum anderen die Biographie der musikalischen Leiterin. Andrea Simmendinger hat nämlich beileibe nicht nur Musik studiert, sondern auch Philosophie, Theaterwissenschaften und Soziologie. Da sage noch einer, als Geisteswissenschaftler wird man nichts!
Dirk Knipphals
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