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Wall-Street-Aktivist über Protest"Unsere Grundrechte sind bedroht"

Der junge Aktivist Lee Burnett über die "Occupy Wall Street"-Bewegung, eine Nacht im Gefängnis, Studiengebühren und die Zukunft des Protests.

Das System prallt auf seine Kritiker: Bei den Protesten auf der Brooklyn Bridge hat die Polizei am Wochenende 700 meist junge Menschen festgenommen. Bild: reuters
Interview von Corinna Klingler

taz: Die Bewegung hat es sich zur Aufgabe gemacht, amerikanische Machtverhältnisse zu ändern. Mit dem Satz "Wir sind die 99 Prozent" wollt Ihr auf den Missstand hinweisen, dass ein Prozent der Bevölkerung so viel Macht besitzt. Wie bist du zu der Bewegung gekommen?

Lee Burnett: Ich habe über das Internet von der Besetzung erfahren. Meine Familie gehört auch zu den 99 Prozent. Ich protestiere schon seitdem ich zehn Jahre alt bin, aber noch nie zuvor habe ich so sehr das Gefühl gehabt, dass ich eine Chance habe, damit etwas zu verändern. Leute in den Staaten und auch auf der ganzen Welt vereinen sich unter der Fahne der 99 Prozent. Wir sind an einem Wendepunkt in der Geschichte unserer Nation und der Welt. Ein Teil davon zu sein ist großartig.

Was treibt dich persönlich an daran mitzuwirken?

Ich gehe zum Westchester Community College und arbeite nebenher. Davor war ich auf einer besseren Schule, die ich mir wegen den hohen Studiengebühren aber nicht mehr leisten konnte. Ich weiß, dass beim Liberty Plaza eine Menge Menschen sind, denen es ähnlich geht, die aber noch nie demonstriert haben. Ich selbst versuche mich so viel einzubringen wie möglich und andere über die Besetzung aufzuklären. Denn es sind genau diese Leute, die Minderheiten, die miteinbezogen werden müssen. Sie müssen merken, dass sie auch eine Stimme haben.

Du warst auch bei dem Marsch auf die Brooklyn Bridge dabei und wurdest dort von der Polizei festgenommen. Hast du damit gerechnet?

Als ich zu den Protesten gegangen bin, hätte ich nie erwartet, dass das passiert. Erst als wir auf der Brücke eingekesselt wurden, ist mir das bewusst geworden. Dass sie 700 Leute festnehmen würden, haben wir alle nicht geglaubt. Aber das hat unser Bild, was die Polizei bereit ist zu tun, ins rechte Licht gerückt. Die Leute um mich herum waren verängstigt. Wir hatten keine Chance, die Brücke zu verlassen. Später hat mich die Polizei sieben Stunden festgehalten und ich habe zwei gerichtliche Vorladungen bekommen, weil ich den Verkehr blockiert habe.

Lee Burnett

ist 19 Jahre alt und Student. Bei den Protesten auf der Brooklyn Bridge wurde er von der Polizei festgenommen. Lee engagiert sich für den Erfolg der Bewegung "Besetzt die Wall Street".

So eine Erfahrung schüchtert sicherlich auch ein. Wirst du trotzdem weiter demonstrieren?

Die Festnahme hat mir erst gezeigt, wie bedroht unsere Grundrechte wirklich sind. Jetzt bitte ich auch unsere Professoren in der Schule, über die Besetzung zu sprechen.

Was hat dich motiviert, an dem Tag zu den Protesten zu gehen?

Ich habe das Video gesehen, in dem die Polizei friedliche DemonstrantInnen bei dem Protest eine Woche zuvor brutal angegangen haben. Deswegen bin ich zu dem Marsch gegangen. Ich kämpfe als Bürger für meine Rechte, friedlich protestieren zu dürfen und eine Stimme zu haben. Ich kämpfe als Arbeiter für einen fairen Lohn. Ich kämpfte für mein Recht, mitbestimmen zu können, wie dieses Land geführt wird, anstatt den Lobbyisten der Wall Street Entscheidungen über mein Leben zu überlassen.

Wie ist die Umgang unter den Demonstranten?

Es gibt einen starken Zusammenhalt zwischen allen. Nachdem ich auf der Brooklyn Bridge festgenommen wurde, kam ich in eine andere Zelle mit lauter Fremden. Aber ich lernte die Leute schnell kennen. Später fingen die Frauen an, über die Zellen hinaus zusammen zu singen. Das war eine unglaubliche Erfahrung, auch wenn wir gleichzeitig Angst hatten.

Was hat die Bewegung ausgerechnet jetzt angestoßen? Die Finanzkrise und die Macht der Banken sind Probleme, die schon länger existieren.

Nach dem Beginn der Wirtschaftskrise 2008 war es nur eine Frage der Zeit, bis die Leute auf die Straße gehen. Vielleicht musste es jemanden geben, der die Initiative ergreift und etwas auf die Beine stellt. Die Adbusters (Konsumkritische Gruppierungen, die z.B. Reklame verfremden und lächerlich machen, Anm. d. Red.) und die Internet-Gruppierung Anonymous waren ausschlaggebende Impulse. Die Leute haben nur darauf gewartet, dass eine Gruppe sich auflehnt und gemeinsam kämpft, um sich dieser dann anzuschließen.

Bei so vielen Menschen ist es schwer sich zu organisieren. Wie bewerkstelligt ihr diese Aufgabe?

Das Gute an "Besetzt die Wall Street" ist, dass wir keine Anführer haben. Wir treffen unsere Entscheidung in den Hauptversammlungen und nutzen die Möglichkeit, uns miteinander zu vernetzen.

Wie schätzt du die Zukunft der Bewegung ein?

Ich glaube, dass "Besetzt die Wall Street" noch weiter wachsen wird. Die Leute wissen jetzt von uns und im ganzen Land gibt es Menschen, die Solidarität zeigen und mit protestieren. Die Leute haben genug davon, zuzusehen auf welche Weise ihr Land geführt wird und sind wild entschlossen, daran etwas zu ändern.

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8 Kommentare

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  • M
    Meistermacher

    @dumdidum

    Also solch einen Blödsinn lesen zu müssen ist eine Zumutung.

    "mit den neuen Bekanntschaften im Bett landen"???

    Was ist denn das für ein bodenloser Unsinn.

    Leg dich wieder schlafen.

    Gerade durch eine sachkundige Handhabe des Internets werden solche koordinierten Aktionen des friedlichen Protests ermöglicht.

    Das ist Klassenkampf, und weil die Obrigkeit nicht den Mumm hat, sich Auge in Auge den Demonstranten zu stellen schicken sie die Polizisten.

    Und ja, ich finde es cooler etwas zu unternehmen um eine vernünftige Zukunft für unsere Kinder versuchen zu gestallten anstatt hier vom Internet aus auf andere herunter zu kanzeln.

  • D
    dumdidum

    die steuerzahler werden vom staat kräftig zur kasse gebeten, damit diese für sie eine infrastruktur bereitstellt, es ist nur richtig das der staat diejenigen, welche die nutzung dieser infrastruktur verhindern bestraft. es kann nicht sein das alle unter dem verhalten weniger leiden müssen. insgesamt denke ich, dass die demonstration als form der politischen beteiliegung ein veraltetes verfahren ist. diese leute bieten kein konzept an, welches sie zur wahl stellen könnten sie protestieren einfach nur und behindern die wirtschaft. wenn es nur darum geht eine politische meinunng zu zeigen, dann kann man das auch über das internet machen. aber das ist natürlich nicht cool genug da kann man später nicht über die brutale polizei herziehen und mit den neuen bekanntschaften im bett landen. ich bin kein fan vom staat, steuern, ja nicht einmal von der heiligen demokratie aber sie sind mir alle mal lieber als diese moralischen witzfiguren, diese möchtegern-revolutionäre.

  • S
    Siegfried

    "Ich kämpfe als Bürger für meine Rechte, friedlich protestieren zu dürfen und eine Stimme zu haben. Ich kämpfe als Arbeiter für einen fairen Lohn. Ich kämpfte für mein Recht, mitbestimmen zu können, wie dieses Land geführt wird, anstatt den Lobbyisten der Wall Street Entscheidungen über mein Leben zu überlassen."

    Warum machen wir das in Deutschland nicht?

    Auch bei uns haben Lobbyisten die Regierung unterwandert.

    Auch wir sind die 99 % die schon viel zu lange tatenlos dem Treiben Einzelner zusehen.

    Bei der Gelegenheit: Am 22.10. um 11 Uhr findet eine Großdemonstration in Mainz gegen den Fluglärm statt. Das wäre mal eine von vielen Gelegenheiten sich gegen die Ignoranz einer Minderheit aufzulehnen.

  • P
    peinlich

    AdBusters eine PR-Agentur? Welcher Praktikant führt eigentlich für die taz Interviews? Googlen hilft. Und derbe peinlich, ernsthaft. TAZ zahl ich nicht.

    ----

    In der Tat handelt es sich bei Adbusters nicht um eine PR-Agentur. Die taz-Redaktion entschuldigt sich für diesen Fehler.

  • L
    Leidkultur

    Ich finde auch, dass es an der Zeit ist, etwas zu ändern. Ich bin weiß Gott keine Sozialromantikerin, aber ich habe die Nase von diesem Dreckssystem gestrichen voll. Wie kann es sein, dass man Millionen Menschen die Teilhabe am Arbeitsleben, an Bildung, an der Gesellschaft nimmt und alles und jeden Dreck mit "Die Wirtschaft muss, die Wirtschaft braucht, die Wirtschaft verlangt, für die Wirtschaft müssen wir... braucht etc.pp und bis auf eine verdammt kleine Clique nur davon profitiert. das ist doch ekelhaft. Uns (Familie) geht es ja echt noch gut, aber ich kann das ganze soziale Elend wirklich nicht mehr sehen. Ich will mich nicht mit ungebildeten Unterschichtlern rumärgern müssen, ich will gebildete, aufgeschlossene und neugierige Leute um mich rum haben. Die gerne leben, sich `nen Kopf machen und kein Dieter Bohlen sehen. Und nein, dass heißt weder bedingungsloses Grundeinkommen oder Hartz IV Erhöhung, dass heisst lediglich, den Unternehmen und vorallem den Poltikern WELTWEIT Feuer unterm Hintern zu machen oder aber weg mit ihnen. ich brauche dieses überflüssige Gezumpel nicht, wenn es das Volk/ die Völker für ein paar Silberlinge verscherbelt. Ich will, dass die Leute was lernen können, sich auf Familie freuen können, auf Zukunft, sie Interessen entwickeln können und nicht angstschlotternd in die Zukunft gucken müssen. Ist ja wohl nicht zu viel verlangt, oder?

  • DK
    Dennis Kahl

    Ich verfolge seit Tagen die live-Übertragung der Proteste bei videozeugen.de - es werden tatsächlich täglich mehr Teilnehmer. Wurde ja auch Zeit!

    http://www.videozeugen.de/2404/videozeugen-live-proteste-in-der-wall-street/

  • D
    Dominik

    Ich halte die Übersetzung von Adbusters mit "PR-Agentur" für falsch und irreführend.

    Das Wort setzt sich zusammen aus "advertisement" (= Kurzform "ad" = Werbung) und "bust" (=zerstören, zerschlagen). Es ist eine jahrealte Protestbewegung in Amerika gegen Konsumismus und Konzernmacht. Und für freie Meinungsäußerung, Mediennutzung für alle, gerechte Globalisierung.

    Das Magazin "Adbusters" trägt den

    Untertitel"journal for the mental environment".

    Wenn überhaupt, dann nutzt es nur die gleichen Techniken wie Werbung und Design, vermittelt aber ganz andere Botschaften.

  • GR
    grund rechte

    Die Nationalgarde hatte vor 30(?) Jahren auf Hippie-Studenten-Proteste geschossen. Aber sich jetzt über Syrien aufregen wo die Verantwortlichen vom 3.Oktober vermutlich auch noch leben und nie verurteilt und zu gigantischen Zahlungen verurteilt wurden.

     

    Was er erzählt klingt nach dem Leonardo DiCaprio-Film "Gangs of New York". Den kennt er vermutlich auch nicht. Er denkt ja noch, er hätte Rechte. Weil er zu viel Desinformations-TV und Desinformations-/Desinteressionismus-Presse gelesen hat.

    Fragt doch mal was er besser als die zig gescheiterten Revolutionen (Ukraine, Afghanistan, Irak, Haiti, Libyen, Chavez, Timotschenko,...) machen will ?

    Ständig scheitern Revolutionen und jedesmal sehe ich ARD und ZDF jubeln wie schon zum Mauerfall oder Timotschenko usw. Das Gedächtnis über die Wirklosigkeit von Revolutionen wie RotGrün Trittin-Schröder ist echt kurz.

    "Was wurde aus..." als WikiWebseite für Revolutionen statt Personen wäre sehr aufhellend.

    Wirksamen Geschichtsunterricht gibts wohl nicht.