: Waldheim erfüllt sich langgehegten Wunsch
München/Bonn (ap/taz) — Das umstrittene österreichische Staatsoberhaupt Kurt Waldheim hat sich einen Monat vor Beendigung seiner Amtsperiode noch einen langgehegten Wunsch erfüllt: Auf deutschem Boden von Bundeskanzler Helmut Kohl persönlich empfangen zu werden. Sechs Jahre lang hatte er sich vergeblich darum bemüht. Im Bonner Bundeskanzleramt war man wiederum damit beschäftigt, den Charakter des Meetings herunterzuspielen. Es handele sich lediglich um eine private Visite des Staatspräsidenten aus Wien, keinesfalls um eine offizielle Begegnung. Kohl hatte Waldheim im August 1991 zu einem „informellen“ Gespräch am Rande der Salzburger Festspiele getroffen.
Begrüßt wurde der Gast von Kohl dann gestern gemeinsam mit dem bayerischen Ministerpräsidenten Max Streibl auf dem Flughafen München-Riem. Anschließend zog man sich zu einem zweistündigen Mittagessen im Prinz-Carl-Palais zurück. Einen speziellen Themenkatalog für das Gespräch zu Tische gebe es nicht, hieß es zuvor in Bonn. Unmittelbar nach dem Essen wollte Kohl zum Wahlkampf nach Baden-Württemberg weiterreisen, während sich der Wiener ins Gästebuch der bayerischen Staatsregierung eintragen wollte. Am Nachmittag erhielt Waldheim die große Ehrenkollane, einen Orden des konservativen Peutinger-Collegiums bei einem Festakt im Max-Joseph-Saal der Residenz verliehen. Waldheim war wegen seiner Vergangenheit im Dritten Reich jahrelang von der Mehrzahl der westlichen Regierungschefs gemieden worden.
Die bayerischen jüdischen Gemeinden reagierten mit „Enttäuschung und Empörung“ auf das Treffen Kohls und Waldheims. „Es ist etwas anderes, wenn der bayerische Ministerpräsident Grüß Gott sagen muß, das ist das Nachbarland. Aber wenn der Bundeskanzler kommt, um ihm Grüß Gott zu sagen, das ist für die jüdische Gemeinschaft hier empörend und enttäuschend“, kommentierte der Präsident des Landesverbandes der jüdischen Gemeinden in Bayern, Simon Snopkowski, den Besuch.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen