piwik no script img

Waldheim bäumt sich auf

■ In Wien sind überraschend Vranitzky und Mock zusammengetroffen / Dahinter steht möglicherweise die Drohung Waldheims, die Regierung aufzulösen

Berlin (taz) – Österreichs gedächtnisschwacher Bundespräsident Waldheim tritt vielleicht doch noch zurück. Donnerstag nachmittag trafen in seinem Büro in der Hofburg überraschend Bundeskanzler Vranitzky und Außenminister Mock zu einer Unterredung ein. Auch die konservative ÖVP, die ihn als Kandidaten aufgestellt hatte, scheint nun von Waldheim abzurücken. Diese Position der Konservativen hat möglicherweise damit zu tun, daß das Staatsoberhaupt gedroht haben soll, von seinen verfassungsmäßigen Rechten Gebrauch zu machen und die Regierung aufzulösen, falls sie sich nicht geschlossen vor ihn stellen sollte. Diese Drohung soll Montag bei einem Dreiergespräch Waldheim-Vranitzky-Mock gefallen sein, wie die Tageszeitung Die Presse Donnerstag unter Berufung auf unbestätigte Hinweise meldete. Bei dem Gespräch hatte Waldheim verlangt, daß die Regierung den Bericht der Historikerkommission, die seine Rolle bei Kriegsverbrechen auf dem Balkan untersucht hatte, zurückweise.

Die Regierung nahm den von ihr selbst in Auftrag gegebenen Bericht zwar an, stellte sich aber in einer knappen Erklärung hinter das Staatsoberhaupt. Gleichzeitig sollen aber die Großparteien ÖVP und SPÖ, die gemeinsam die Regierung bilden, hinter dem Rücken Waldheims bereits über mögliche Nachfolger diskutiert haben. Der oberösterreichische Landeshauptmann Ratzenböck (ÖVP), der als Favorit gilt, dementierte solche Gerüchte. Eine positive Wendung für Waldheim hat mittlerweile die Affäre um ein angebliches Telegramm genommen, das den ehemaligen Wehrmachtsoffizier direkt in Kriegsverbrechen verwickelt. Der jugoslawische Historiker Dusan Plenca, der dem Spiegel eine Ablichtung des inkriminierenden Dokuments für 50.000 DM verkauft hatte, gab Donnerstag zu, das Original nie gesehen zu haben. Er habe die Kopie vom Belgrader Militärhistorischen Institut bekommen. rld

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen