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Waldesfrust

■ Shakespeare-Company-Premiere: „Ein Sommernachtstraum“ zum Aufwachen

Wir hätten auch keine Hasen und Rehe erwartet. Vielleicht, okay, ein bißchen hoppelnde Supervision aus dem Reich der geisternden Waldmeister und ihrer Wild- Elfen. Schließlich ist Sommernacht und Zauberforst mit Oberon als Oberförster. Und wenn's nicht natural-romantisch schauern soll und auch so gar nichts rauscht, raunt oder zauberwebt, dann wollen wir und Shakespeare wenigstens Imagination.

Aber nix da: Die verkehrte Wald-Welt löst anscheinend bloß noch zauderndes oder zeterndes Wirr und Warr aus und sonst gar nichts. Da bebt der Busen und behauptet, entfesselte Natur zu sein oder gar ein Spielball von Kräften und Mächten, Mächten und Kräften, fassungs-los und ungesteuert und so weiter.

Shakespeares Sommernachtstraum also ohne Sommer und Traum; bleibt die Nacht — immerhin noch Königin und Mond- Mutter und immer bühnenreif. Bei der Company aber ist alles mattweiß und wie mit Schonbezug ausgeschlagen. Als wär– die Bühne ein Unschuldslamm oder sollte sauber bleiben, statt zu beben und zu schlingern. Logisch, daß Puck da mit dem Kehrbesen unterwegs ist, immerhin ein borstiges Ordnungs-Symbol. Eine Rampe rampt im Hintergrund auf uns zu und kann von wegen Beben ein bißchen hin und herschaukeln, wenn sich einer oben drauf hin und herschmeißt.

Tja, der Sommernachtstraum, was will er noch von uns? Uns betoniertes Gelichter erschrecken mit dämonischen Launen der Natur, panischer Verwicklung, schabernäckischer Schererei. Uns amüsierend rühren mit Waldeslust und -frust, faunisch bockigem Gemecker und einer zur Not auch witzigen Fee für den Mendelssohn-Bartholdy in dir und mir. Schließlich haben wir's mit einer Komödie zu tun, 1592 für aristokratische Hochzeiten geschrieben.

Als Handlung dienen mehrere Paare, die zueinander erst kommen, wenn sie einmal gründlich durchverwirrt sind: Theseus, Herzog von Athen, und seine Amazonenkönigin Hippolyta, Elfenkönig Oberon und seine Titania, und v.a. die jungen und u.a. unglücklich Liebenden Hermia und Lysander, Demetrius und Helena. Als deus ex machina poltert Puck mit Wunderblume durch die Gegend, deren Saft aus den beträufelten Menschen falsch sortierte Liebeskranke macht. Da trifft also aufs hübscheste Ordnung auf Chaos, Gesetz auf Wollust, Drill auf Droll. Wobei die zauberische Unterwelt selbstverständlich die unterbewußte Triebwelt mitmeint.

Peter Lüchinger und Erik Roßbander, bisher nur als Company- Schauspieler der zweiten Generation hervorgetreten, haben hier also ihr erstes Regiewerk abgeliefert und aus Shakespeare einen Langweiler gemacht. Ihre Figuren stehen gerne in einer Linie und auf der Stelle, wenn sie nicht grade hin- und her- oder herumrennen; wobei sie, ewig aufgebracht von der Tragik ihrer Verwicklungen, hauptsächlich jammern und brüllen müssen. Ist denn alle Lust Qual und porentief zu erleiden? Ja, ja, ja. Der gute alte Anarcho-Eros winkt nur von fern, und was taumelt, ist der Rezensentin Wille zur Güte. Hach, einmal treten auch drei vermummenschanzte Waldgeister auf. Leider singen sie aber. Was sich ein bißchen anhört wie die Blockflötengruppe der Waldorfschule.

Vielleicht haben die beiden Regisseure die Schauspielkunst ja bloß nicht genug gefordert, aber der gewohnte fliegende Rollenwechsel zum Beispiel ist in der zweiten SpielerInnen-Generation wesentlich ungeschmeidiger. Der Puck, eine Schlüsselrolle ja doch, muß und muß kreischen, damit er böse wirkt. Allein: der mattgelbe Strampelanzug hat mir gut gefallen. Das kann doch kein ganz böser Puck sein in so einem netten Gelb. Oberon, der Elfenkönig, trägt denselben in dunkelrot und ist ansonsten zum Affen gemacht worden. Gar keine schlechte Idee, von wegen animalisch und so. Aber zeichnen sich abgründige Zauberer v.a. dadurch aus, daß sie sich unterm Arm kratzen können? Bei Hippolyta ist der Einfallsstrom dann wohl ganz versiegt: Die Arme steht, wenn sie nicht sitzt, mit stark uninterpretierbarem Gesichtsausdruck in der Bühnengegend herum. Einzig des Theatertrüppchens parodierendes Stück im Stück erfrischt uns die matten Vergnügungssinne. Und da ist auch bei allen die gute alte, ausdrucksvolle Präsenz zu spüren.

Mensch Shakespeare Company! Wir wollen Volkstheater, also Saft und Kraft. Und Mondlicht im Zimmer. Und nicht gutgemeinte Pathetik mit hängenden Armen. Wir wollen kein Ohnsorgtheater von euch, wie böse Zungen uns gerne unterstellen. Wir wollen, daß ihr Shakespeare weiterhin beim Wort nehmt und seine Sau auch rauslaßt. Claudia Kohlhase

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