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Waisen von HaitiVerdacht des Kinderhandels

In Folge des Chaos nach dem Erdbeben verlassen Kinder Haiti ohne Adoptionspapiere. Am Wochenende wurden bereits US-Bürger festgenommen, die angeblich 33 Kinder verschleppen wollten.

Eines der Kinder, das US-Bürger versucht haben ohne Papiere außer Landes zu bringen. Bild: ap

PORT-AU-PRINCE afp | Haitianische Behörden haben vor einem wachsenden Problem des Kinderhandels nach dem schweren Erdbeben gewarnt. Zahlreiche Kinder hätten Medienberichten zufolge das Land verlassen, ohne dass das Institut für Wohlfahrt eine Genehmigung erteilt habe, sagte Institutsdirektorin Jeanne-Bernard Pierre am Sonntag der Nachrichtenagentur AFP in Port-au-Prince. Seit dem Beben am 12. Januar sei "alles chaotisch und einige Leute nutzen das aus, indem sie einen regelrechten Kindeshandel betreiben", fügte Pierre hinzu.

Pierre zufolge sind derzeit aber auch die Adoptionspapiere für hunderte Kinder in Bearbeitung und dürften bald ausgestellt werden. Sie würden gemäß den Adoptionsgesetzen Visa erhalten, um ins Ausland reisen zu dürfen. Das dem haitianischen Ministerium für Soziales und Arbeit zugeordnete Wohlfahrtsinstitut ist für Adoptionen zuständig.

Am Wochenende war in Haiti bereits eine Gruppe von US-Bürgern wegen Verdachts auf Kindesraub festgenommen worden, die in dem Chaos nach dem verheerenden Erdbeben Dutzende Kinder verschleppt haben sollen. Die Verdächtigen hätten versucht, 33 Kinder außer Landes zu bringen, erklärte die haitianische Kulturministerin Marie Laurence Jocelyn Lassegue am Sonntag. Die Inhaftierten wiesen den Vorwurf des Menschenhandels von sich.

Haitis Sozialminister Yves Christallin hatte zuvor von zehn US-Bürgern gesprochen, fünf Männern und fünf Frauen. Sie seien festgenommen worden, als sie versuchten, am Freitag mit den Kindern die Grenze zur Dominikanischen Republik zu überqueren. Die 31 Kinder seien zwischen zwei Monate und zwölf Jahre alt. "Das ist Raub, nicht Adoption," sagte der Sozialminister. Die Kulturministerin sprach hingegen von 33 Kindern, von denen das Älteste 14 Jahre alt sei.

Außer den US-Bürgern, die der Hilfsorganisation New Life Children's Refuge im US-Bundesstaat Idaho angehören, wurden laut Christallin auch zwei Haitianer festgenommen. An der Aktion seien zwei Geistliche beteiligt gewesen, einer aus Haiti und einer aus Atlanta im US-Bundesstaat Georgia, fügte der Minister hinzu.

Angesichts der chaotischen Situation, in der sich die haitianische Regierung befinde, wollten ihre Mitarbeiter nur helfen, sagte die Chefin von New Life Children's Refuge, Laura Silsby, dem Fernsehsender CNN. Sie hätten absolut nichts mit Kinderhandel zu tun, sagte sie der US-Zeitung "Idaho Press-Tribune". Es habe Missverständnisse mit den Unterlagen gegeben.

Die Festgenommenen hatten nach Angaben des Ministers keine behördliche Erlaubnis für eine Ausreise mit den Kindern. Die Kinder wurden in ein Heim nördlich der haitianischen Hauptstadt Port-au-Prince gebracht.

Seit dem Erdbeben vom 12. Januar wurde der Abschluss von Adoptionverfahren für haitianische Kinder beschleunigt. Die US-Regierung hatte ihre Bürger aufgerufen, Geduld zu haben und "transparente" Adoptionsverfahren zu ermöglichen.

Auf einer Internetseite von New Life Children's Refuge hieß es, hundert haitianische Kinder sollten in der an Haiti grenzenden Dominikanischen Republik in Sicherheit gebracht werden. Freiwillige wollten sich um die Kinder kümmern, für die ein Hotel mit 45 Zimmern angemietet worden sei.

Durch das Beben in Haiti, bei dem nach offiziellen Angaben 170.000 Menschen starben, stehen zahlreiche Kinder ohne ihre Eltern und andere Schutzpersonen da.

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2 Kommentare

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  • A
    anke

    Wie man hört, wissen die Zuständigen vor Ort derzeit selbst nicht so ganz genau, wer wofür verantwortlich ist und wer wofür nicht. Die formale Konsequenz, heißt es, sei eine generelle Aussetzung aller Adoptionen bis zum Ende des Nach-Beben-Chaos. Für die Kinder, die dadurch später als nötig "in liebevolle Hände abgegeben" werden, mag das schlimm sein. Schlimmer sind allerdings die Kinder dran, die nicht auf offiziellen Routen und mit von wem auch immer unterzeichneten Papieren zwecks Adoption außer Landes gebracht werden. Um die Kinder, deren Schicksal nicht von mehr oder weniger geeigneten Adoptiveltern bestimmt wird, sondern von skrupellosen Geschäftemachern und kranken Egoisten, scheinen sich die Medien allerdings genau so wenig zu kümmern, wie die wohl nicht ausschließlich edlen Beamten in der zerstörten Hauptstadt Port-au-Prince. Vielleicht werden die richtig schlimmen Fälle von den großen Agenturen ja gar nicht gemeldet, wenn die "Regierung" Haitis nicht darum ersucht. Dass es jene Kinderhändler, deren Gewinnspanne um so größer ist, je schlimmer das Schicksal der Kinder wird, ausgerechnet nach dem großen Beben nicht mehr geben soll im ärmsten Land der westlichen Hemisphäre, halte ich jedenfalls für ausgeschlossen.

  • D
    Der_Verstand

    Kinderverschleppen...echt tolle Hilfe die von der USA und von Europa kommt...naja jetzt kann man so ungefähr ahnen wieviele Kinder bestimmt zu tausenden in Afghanistan und Irak verschleppt wurden bzw. werden!

     

    Doch sowas will keiner hören, denn uns in Europa gehts doch gut, wieso dann darüber Nachdenken wieviel unheil wir in anderen Ländern in UNSEREM Namen dulden!