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Waigel schwer enttäuscht

■ Kapitalflucht verringert Steuererträge

Frankfurt (AP/taz) – 24 Milliarden Mark, so hoffte Finanzminister Waigel, sollten durch die Anfang 1993 eingeführte Zinsabschlagssteuer in sein Täschel fließen, elf Milliarden waren es aber nur.

Die Bundesbürger zogen es vor, ihr Kapital steuerfrei im Ausland, vor allem in Luxemburg, anzulegen. Wie die Bundesbank in ihrem jüngsten Monatsbericht schreibt, hat die Regierung das Ausmaß der Kapitalflucht völlig unterschätzt. Investmentfonds, deren Zinserträge bis Ende des Jahres auch dann nicht zwangsversteuert wurden, wenn sie in Deutschland ausgezahlt wurden, hätten allein in Luxemburg 99,5 Milliarden Mark verwaltet.

Der Kapitaltransfer war aber nicht die alleinige Ursache für die enttäuschten Erwartungen des Fiskus. So wurden nach Schätzungen des Finanzministeriums vier Fünftel aller Sparer wegen der Freigrenze von 6.000 Mark Jahreszinsen je Person von der Steuer gar nicht erfaßt. Vermögensübertragungen an die Kinder schmälerten das Steueraufkommen weiter.

Daß das Zinsabschlagsgesetz nicht wie die zuvor schon gescheiterte Quellensteuer von 1989 zum totalen Flop wurde, dürfte auf die Steuerbefreiung ausländischer Kapitalanleger zurückzuführen sein. Zwar floh deutsches Anlagekapital in Windeseile über die Grenzen, das Geld sei aber via Luxemburg und anderswo gleich wieder in Deutschland investiert worden. Allein aus Luxemburg wurden in den zweieinhalb Jahren seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zur Zinsbesteuerung für 105 Milliarden Mark deutsche Anleihen gekauft.

Dank der hohen Zinsen in Deutschland sei unter dem Strich deutlich mehr ausländisches Kapital ins Land geflossen als je zuvor. Die deutschen Banken sollten Theo Waigel danken: Ihre ausländischen Töchter waren die Hauptprofiteure der Kapitalschleife über das Ausland.

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