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■ Wahrheit-Reporter vor Ort: Frauen hüten Erfahrungen mit der MondinSonne der Dummen

Gibt es noch Frauenpower? Einer in Berlin plakatierten Ankündigung zufolge ja, und zwar im Statthaus Böcklerpark. Vollmondfeuer, was etwas reizvoller klingt, soll's auch geben; Beginn 20 Uhr, informiert eine (männliche) Stimme am Telefon, Dauer: „Solange die Frauen Lust haben...“

In der Vor-Geisterstunde, die zur Erledigung vollmondlicher Geschäfte angemessen erscheint, treffe ich ein, ziemlich durstig und mit Visionen von ums Feuer hopsenden, grölenden Weibern. Aber alles ist still, alles ist dunkel, das Fest hat noch gar nicht begonnen, die Gegend könnte nicht verlassener sein.

Doch halt, am Ende eines Flures schimmert Licht... Hinter einem gerafften Tuch (rot) hockt bei diffuser Beleuchtung ein stilles Grüppchen beieinander: die Frauenpower.

Ich frage nach Feuer und Getränk, woraufhin eine Hennagefärbte mittleren Alters die Tür zum vollbetonierten Hof öffnet und auf Asche deutet, in der ein einsamer Funke schwelt. Kommst 'n bißchen spät, sagt sie. Das bereue ich bitter, denn wie sich herausstellt, komme ich auch zu spät für die Bar, die aus verwaltungstechnischen Gründen nach elf den Ausschank einstellt.

Aber SIE ist ja noch da, tröstet die Frau, und ich begreife mit einer Sekunde Verzögerung: Sie – das muß die Mondin sein.

Die Rothaarige jedenfalls ist Initiatorin der Veranstaltung, und eigentlich, erzählt sie, war das Ganze viel multikultiger geplant. Frauen aus Griechenland, Korea und sonstwoher habe sie angeschrieben, um zu erfahren, wie Mondphasen in unterschiedlichen Kulturen gehandhabt werden. – Offensichtlich gar nicht, denn wenn die Angeschriebenen eines einte, dann ihr konsequentes Desinteresse am Thema Frauen und Himmelskörper – keine antwortete.

Zustande kam das Mondtreffen trotzdem, anfangs leicht belächelt von den männlichen Sozialarbeitern, die inzwischen jedoch eine Mondin erkennen, wenn sie auftaucht; womöglich eine Art konditionierter Reflex, denn das Holz fürs Feuer dürfen die Jungs hacken. danach dürfen sie gehen, weil, es soll ja ein bißchen so wie früher sein, wenn die verschiedensten Frauen gemütlich beieinandersaßen und menstruierten, während sie Erfahrungen austauschten. Erfahrungen, die ja leider zum großen Teil unwiederbringlich verlorengegangen seien...

Das gesamte Wissen der Frauen verloren? Nicht ganz. Manches ist, der Göttin sei Dank, in alten Schriften erhalten geblieben. Namen zum Beispiel, mit denen unsere Vorfahrinnen den Mond – womöglich im Rahmen menstrueller Zeremonien – ansprachen: „Sonne der Dummen“ unter anderem, oder „Lumpenlaterne“. Unter den mehr wissenschaftlich geprägten Deutungen des himmlischen Phänomens erfreute die Theorie des „Petrus höllt den blanken nors ut't finster“ sich einiger Beliebtheit.

Doch nicht nur Poetisch-Philosophisches, auch praktisches Alltagswissen unserer Ahninnen ist überliefert. Sie wußten, daß Körper bei Vollmond am fettesten sind, daß frau nicht auf den Mond zeigen darf (denn sonst sticht sie ein Englein tot) und daß drei Knickse in seinem Licht alsbald mit einem schönen Geschenk belohnt werden, während Sex bei Vollmond blöde Kinder macht. Was zum einen beweist, daß es auch Frauen gab, die an kollektiven Blutungen nicht soviel Freude hatten, und zum anderen die wachsende Anzahl ziemlich blöder Kinder erklärt.

Im Statthaus Böcklerpark, dem Ort des verlorenen Wissens, ergibt eine Blitzumfrage, daß vier von sechs Frauen mondmäßig betrachtet korrekt funktionieren (eine nicht mehr, eine noch nicht), viele bei Vollmond nicht schlafen können und die meisten irgendwie kribbelig sind, was manche gerne weibliche Energie nennen möchten und im übrigen dafür plädieren, daß dieselbe nicht verlorengehen sollte. Wie aber bewegt frau Energie zum Bleiben? Nachdenkliches Schweigen.

Dann fällt einer plötzlich noch was ein. „Und ich“, sagt sie, „bin bei Vollmond immer total scharf auf Sex.“ Spricht's, schnappt ihre Tasche und stürzt davon. Michaela Behrens

PS: Dieser Artikel wurde bei abnehmenden Mond geschrieben, einer denkbar ungünstigen Zeit für kreative Tätigkeiten. Er kann somit hemmende, unter Umständen sogar schädigende Wirkung haben.

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