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WahlversprechenDa müssen die noch mal ran

Im Wahlkampf bescherten die Grünen der Stadt ein Online-Mitmach-Tool. Nun ist die Partei in der Opposition - und die Website eine Dauerbaustelle.

Grüne Wahlversprechen : Reuters

Es begann mit einem dieser rhetorischen Brecher, wie man sie im Wahlkampf um das Abgeordnetenhaus oft hört: „Wir machen uns auf, mithilfe des Netzes Berlin besser zu regieren“, verkündete der grüne Wahlkampfmanager Heiko Thomas vor ziemlich genau einem Jahr, als er die neue Netzkampagne der Partei vorstellte: das Onlineportal „Da müssen wir ran!“. Auf dem sollten alle BerlinerInnen ihre Fragen und Anliegen loswerden können. Die Grünen würden antworten und die Bürgeranfragen ins Abgeordnetenhaus tragen – und im Falle eines Wahlsiegs, mit dem damals noch alle rechneten, sogar gleich ins Rote Rathaus. „Berlin wird eine Mitsprachestadt“, lobte Spitzenkandidatin Renate Künast den Vorstoß ihrer Partei. Die Grünen meinten es ernst.

Das heißt, ganz so ernst dann vielleicht auch wieder nicht. Denn wer das Mitmachportal der Grünen ansurft, landet auf einer Baustelle: „Wir wollen unser interaktives „Da müssen wir ran!“-Projekt weiter entwickeln“, steht auf der Seite. „Daran arbeiten wir gerade. Bleiben Sie dran!“ Dranbleiben sollen die Bürger allerdings schon seit Anfang des Jahres, als das Portal – zunächst ohne jede Begründung – offline ging. Welche Anfragen gestellt wurden, wer sie wie und wann beantwortet hat, all das ist nicht mehr einsehbar. Völlig offen bleibt, inwiefern die Anregungen tatsächlich in den parlamentarischen Betrieb eingebracht wurden. Transparenz sieht anders aus.

„Um das Portal aus der Opposition heraus weiter zu betreiben, müssen wir es anders gestalten“, erklärt die Landesvorsitzende der Grünen, Bettina Jarasch, das Verschwinden des Tools. So manchen Vorschlag könne die Partei nicht umsetzen, wenn sie nicht mitregiere.

Damit geben sich die Portalnutzer nicht zufrieden: „Im Ernst, die Grünen regieren in einigen Bezirksparlamenten mit“, bloggt etwa Anouk Bontemps. „Dahin könnten sie die Aufgaben und Fragen ja wohl mitnehmen.“ Bontemps hat die Entwicklung des Portals aufmerksam verfolgt und in einem Blog dokumentiert. Die Antworten der Grünen seien oft wenig fundiert, schreibt sie. Auf die Beantwortung ihrer eigenen Anfrage musste sie monatelang warten, sie wurde mit standardisierten Mails vertröstet. Darin, so berichtet die Bloggerin übereinstimmend mit anderen Nutzern, wurde sogar noch im Januar um Stimmen zur längst vergangenen Abgeordnetenhauswahl geworben.

„Dem Erfolg geschuldet“

Man kann das alles als Indikator für eine halbherzige Umsetzung des Onlinetools deuten. Oder man sieht es so: „Es ist dem Erfolg des Portals geschuldet, dass manche Antworten auf sich warten ließen“, sagt die Landesvorsitzende Jarasch. Insgesamt seien rund 800 Bürgeranfragen eingegangen. Je nach Inhalt wurden sie an die zuständigen BVV-Fraktionen oder an die Fachabgeordneten auf Landesebene weitergeleitet, sagt Jarasch. „Es war Wahlkampf, alle arbeiteten am Rande ihrer Kräfte.“ Anfragen zu verkehrspolitischen Themen seien am häufigsten gewesen. 33 Bürgeranliegen seien nicht beantwortet worden.

Wie es nun weitergeht, sei noch unklar, gibt Jarasch zu. Eine Überlegung sei, ein themenspezifisches Tool anzulegen, ähnlich dem der Hamburger Grünen. Bis es so weit ist, muss sich die „Mitsprachestadt“ noch gedulden.

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8 Kommentare

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  • S
    Susanne

    @ Ralf Degenhardt

     

    Ja, im Umgang mit ihrem Online Mitsprache - Portal sieht man, wo die Grünen die Bürgerbeteiligung/die Partizipation wirklich ansiedeln:

     

    An letzter Stelle.

     

    Kaum sitzen sie bequem im Abgeordnetenhaus ist ihenn das Bürger - "Gedöns" völlig egal.

     

    Hoffentlich vegessen das die Leute nicht wieder angesichts der nächsten Wahlkampfshow von B 90/DIE GRÜNEN.

  • RD
    Ralf Degenhardt

    Wat fürn Scheiss !!!

    Mit ner TV-ÖD- 13-Stelle, von mir aus auch geteilt, hätten die dat schon längst im Griff, aba se wollen wohl nich. Kohle ham die genug.

  • A
    a.b.

    Die meisten UnterstützerInnen - Stimmen auf dem "Mitspracheportal" der Grünen hat übrigens die Forderung nach einem bedingungslosen Grundeinkommen erhalten.

     

    Dicht gefolgt von Forderungen zur ökologishcen Sanierung des Berliner Landwehrkanals gekoppelt mit mehr Bürgerbeteiligung in Friedrichshain - Kreuzberg.

     

    Auch das alles kann man leider nicht mehr sehen, weil die Grünen das Online - Portal einfach aus dem Netz genommen haben.

  • P
    P.S.

    http://www.freitag.de/autoren/lila-lueftchen/berliner-grune-im-online-krampf

     

    Wenn die taz - Journalistin schon soviel Inhaltliches von mir übernimmt, dann sollte sie wenigstens den Link zu meinem Blog - Artikel angeben, aus dem sie zitiert (auch in der taz Print-Ausgabe).

  • AB
    anouk bontemps

    Schön,

     

    dass die taz meine Kritik an dem schlecht gemachten Online "Mitsprache-Portal" der Berliner Grünen nun endlich aufgegriffen hat. - Nach zahlreichen Hinweisen von mir in den taz - Kommentarspalten. Zum Teil sogar inhaltlich gleichlautend zu meinem Blog - Beitrag ("Transparenz sieht anders aus" etc.)

     

    http://www.freitag.de/autoren/lila-lueftchen/berliner-grune-im-online-krampf

     

    "Es ist dem Erfolg des Portals geschuldet, dass manche Antworten auf sich warten ließen", meint die Landesvorsitzende der Grünen Frau Jarrasch nun dreist. Das ist eine faule Ausrede!

     

    Die Grünen hatten im Berliner Wahlkampf zum Thema Partizipation und BürgerInnenbeteiligung (wie immer) den Mund sehr voll genommen.

     

    Wenn die Grünen dann so offensichtlich den Anforderungen nicht gewachsen sind, auf die Bürgerinnen - Anfragen auch zeitnah und inhaltlich fundiert zu antworten, ist das megapeinlich!

     

    In Zeiten, in denen die BürgerInnen oft besser informiert sind, als die PolitikerInnen, kann sich eine Partei so etwas nicht mehr leisten (egal welche Partei).

     

    Das "Mitsprache" - Online-Portal dann auch noch stillschweigend abzuschalten, ist eine Verhöhnung der BürgerInnen. Vor allem vor dem Hintergrund, dass die Berliner Grünen über eine Millionen Euro für ihren Wahlkampf ausgegeben hatten. Aber den politisch Interessierten BürgerInnen fundiert und zeitnah auf ihre Fragen zu antworten, das hat die Partei trotz ihres großen Budgets seltsamerweise nicht hingekriegt.

     

    Da ist so manche ehrenamtlich arbeitende Bürgerinitiative inzwischen online besser aufgestellt und einfach insgesamt fitter.

     

    Die Antwort, die ich selbst auf meine Anfrage endlich nach ca. einem halben Jahr (!) von den Grünen bekam (nach zwei vorangehenden schriftlichen Beschwerden von mir) war übrigens inhaltlich auch noch ziemlich dürftig und vom Informationsstand her zum Teil überholt.

     

    Meiner Ansicht nach waren den Grünen die online Fragen der UserInnen einfach zu kritisch geworden. Da haben sie ihr Online - Portal einfach gelöscht. Nun haben sie keinen Plan wie es damit weitergehen soll und sagen, sie müssten es überarbeiten. Dabei müsste das Portal gar nicht anders sein, nur weil die Grünen auf Berliner Landesebene in der Opposition gelandet sind!

     

    - Das ist auch nur eine faule Ausrede. In Wahrheit kommen die Grünen leider mit fundierter Kritik und kritischen Fragen nicht klar. Und von den Forderungen der BürgerInnen wollen sie anscheinend lieber in Ruhe gelassen werden.- Eine sichere Einstellung, um nach den nächsten Wahlen wieder in der Opposition zu landen.

     

    Dass die Grünen der Piratenpartei in Sachen Partizipation und BürgerInnenbeteiligung so weit voraus seien, wie es z.B. Herr Trittin gern behauptet, ist Quatsch. Das weiß jede Person, die die (Öffentlichkeits-) Arbeit der Grünen etwas länger verfolgt.

  • S
    Semolina

    Klasse Artikel! Toll, dass die taz sich nicht vor den Gespenstern der Vergangenheit scheut.

  • S
    simona

    Da gehöre ich also zu den 33 Auserwählten, deren Anfrage nicht beantwortet wurde (genau wie drei andere im Lauf der Jahre an die GRÜNEN). Allerdings wurde meine Anfrage ohne Rückfrage um Erlaubnis mit Klarnamen ins Internet gestellt! Als- bisherige- Stammwählerin der GRÜNEN ist man ja gewöhnt, einiges zu schlucken.

    Aber das Thema erledigt sich ja künftig ohnehin, allein schon wegen der ungeheuerlich dämlich begründeten Haltung in Sachen Beschneidung.Leider!

     

    Nichtwählen ist ja nicht wirklich eine Alternative zum kleinsten Übel.

  • W
    webschrauber

    Kennt jeder, der mal beruflich irgendwas für eine wie auch immer geartete Kampagne mitgebaut hat, dieses plötzlich erlahmende Interesse des Auftraggebers, wenn das Projekt "fertig" ist (online gibt es kein "fertig"). Schade um die Arbeit und in diesem Fall die geweckten Hoffnungen. Schön, dass Sie das Tool nochmal ans Licht gezerrt haben, Frau Itzek.