Wahlparteitag in NRW: Linke feiert Wagenknecht ins Parlament

Mit großem Hallo wählt die Linkspartei in Nordrhein-Westfalen die Kommunistin auf einen sicheren Platz der Bundestagsliste. Schlichte Radikalität hat auf dem Parteitag auch sonst Erfolg.

Der Star des Parteitags: Sahra Wagenknecht. Bild: dpa

ESSEN taz Es gibt keinen Grund, sich "dem herrschenden Diskurs über die DDR zu unterwerfen", ruft Sahra Wagenknecht in den Saal. Denn das bedeute, "die DDR mit dem Faschismus" gleichzusetzen. Dann dreht sie sich vom Rednerpult weg, und die Linksparteidelegierten brechen in tosenden Applaus aus. Wagenknecht, wie immer schwarz gekleidet, wirkt auch im Augenblick ihres Triumphes fast regungslos. Sie bekommt 72 Prozent der Stimmen der 200 Delegierten - mehr als Spitzenkandidatin Ulla Lötzer.

Sahra Wagenknecht ist, neben Oskar Lafontaine und Ulla Jelpke, der umjubelte Star dieses Parteitags der nordrhein-westfälischen Linken in Essen. Die Sprecherin der innerparteilichen Kommunistischen Plattform wird im nächsten Bundestag sitzen. Ein echter Karrieresprung.

Eigentlich war die DDR-Schönfärberei lange Wagenknechts Malus. 2001 stimmte sie als Einzige in der PDS-Parteispitze gegen die Verurteilung des Mauerbaus. Das nahmen in der PDS viele übel. Auch deshalb wurde sie 2008 in Cottbus nicht Vizeparteichefin. In Essen, weit im Westen, ist das Interesse an der PDS-Vergangenheitsbewältigung gering. Die Delegierten vertreten 8.200 Genossen. Über die Hälfte ist erst in den letzten drei Jahren der Partei beigetreten. Die Linkspartei in NRW hat kaum Sensoren für DDR-Nostalgie. "DDR-Nähe" gilt vielen in Essen nur als plumper Versuch missgünstiger Medien, die aufstrebende Partei zu diffamieren. Deshalb feiern sie Wagenknecht, fast einmütig. Obwohl sie erst seit drei Wochen Genossin im Landesverband NRW ist.

Im Vorfeld hatten manche befürchtet, dass es bei der Kandidatenkür einen rabiaten Durchmarsch der Antikapitalistischen Linken (AKL), angeführt von Ulla Jelpke, geben wird. Es kommt anders, zumindest ein bisschen. Die Strömungsbalance zwischen AKL und der zentristischen Sozialistischen Linken (SL) bleibt einigermaßen gewahrt. Auf die ersten zehn aussichtsreichen Plätze werden vier SL-Genossen gewählt.

Doch den Ton dieses Parteitags bestimmt die AKL. So wettert Ulla Jelpke gegen Krieg und Kapitalismus und warnt vor der "Sozialdemokratisierung, die sich auch in unserer Partei breitmacht". Dafür wird sie gewählt - gegen den Gewerkschafter Hüseyin Aydin. Dessen Rede fällt zu laut und fast dröhnend kämpferisch aus. Doch Aydin steht für etwas: Er hat in NRW die WASG mitbegründet. Er ist in der IG Metall verwurzelt, im Bundestag engagiert er sich für Entwicklungspolitik. Doch konkrete Arbeit zählt auf dem Parteitag nicht so viel, Verbalradikalismus mehr.

Inge Höger vom AKL hält eine bemerkenswert schlichte Rede, die fast nur Bekenntnisse enthält. "Ich sage Nein zu Krieg und Sozialabbau", sagt sie. Ihre Konkurrentin um Platz drei, Ingrid Remmers, argumentiert in ihrer Rede für ein besseres, egalitäres Gesundheitswesen. Sie entwirft konkrete Forderungen, zitiert Horst Köhlers Managerkritik und wägt ab, ob wir angesichts der Krise "eine Systemalternative brauchen". Doch die Delegierten ziehen der konkreten Remmers die glaubensfeste Höger vor.

Bei der Bundestagswahl 2005 bekam die Linkspartei in NRW gut 5 Prozent und damit sieben Mandate. Jetzt will sie doppelt so viele. Doch dass sie das mit "klarem Antikapitalismus" und "prinzipieller Opposition" gegen die SPD (Wagenknecht) erreicht, bezweifeln manche. "Wir können nur hoffen, dass uns Wagenknecht bei den Wählern mehr nutzt als schadet", sagt ein skeptischer Genosse.

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