Wahlmenü für Olympioniken: Röstbrot mit Pfirsichen
In der Olympia-Blase entgeht den Sportlern Japans kulinarische Vielfalt. Zumindest im olympischen Dorf darf ein bisschen geschlemmt werden.
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D iese Kolumne von außerhalb der Olympiablase ist bereits meine vierte, ohne dass ich über Essen geschrieben habe. Ein Fauxpas! Ein japanischer Autor wäre dieses Thema sicher längst angegangen, denn das Verzehren von kulinarischen Köstlichkeiten ist ein zentrales Element im täglichen Leben der Olympiagastgeber. Zu den ersten Wörtern, die Ausländer im direkten Gespräch mit Einheimischen aufschnappen, gehört „oishii“ – lecker.
Allein in Tokio soll es 150.000 Restaurants geben, fast so viele wie in ganz Deutschland. Selbst wer dreimal täglich essen ginge, könnte sie niemals alle ausprobieren. Die Breite und Qualität des Angebots rauben jedem Feinschmecker den Atem. Auch das Preis-Leistungs-Verhältnis ist unschlagbar. Wenn ich manchmal mit meiner Wahlheimat hadere, gehe ich einfach „lecker“ essen, schon bin ich wieder mit Japan versöhnt.
Wegen des Kontaktverbots zu Land und Leuten erhalten die Angehörigen des Olympiatrosses leider kaum Gelegenheit, die kulinarische Vielfalt des Landes selbst zu erkunden. Zu ihrem Glück haben sich die japanischen Organisatoren schon lange vor der Pandemie Gedanken darüber gemacht, wie die Athleten japanisches Essen am besten kennen und lieben lernen.
Im Internet wählten die Japaner aus über 700 Rezeptvorschlägen diejenigen Gerichte aus, die sie als besonders typisch für die einheimische Küche einschätzten. Das Ergebnis der Abstimmung bekommen die Bewohner des Olympiadorfes in ihrer 24-Stunden-Mensa serviert, übrigens wie alles dort ganz und gar kostenlos.
Somen-Nudel, laut heruntergeschlürft
Zu den fünf „Gewinnern“ dieses Wettbewerbs gehören „Somen“-Nudeln, die Japaner im heißen Sommer gerne laut herunterschlürfen. Diese kalten Nudeln werden in eine ebenfalls kalte Tomatenbrühe mit Hühnchen und Gemüse getunkt. Auch das Standardwintermenü „Oden“ kommt in der Sportlermensa in einer gekühlten Sommerversion auf den Tisch. Ein gekochtes Ei, Fischfrikadellen und Sommergemüse schwimmen in einer mit Bonitoflocken gewürzten Suppe.
Als Nachspeise wird den Olympioniken „zunda de panna cotta“ angeboten. Dieses Gericht mit gesüßten pürierten grünen Sojabohnen isst man gerne in den Gebieten im Nordosten Japans, die vor zehn Jahren vom Tsunami überschwemmt wurden. Die beiden übrigen Speisen sind „zangi“, frittierter Lachs von der nördlichsten Hauptinsel Hokkaido, sowie geröstetes Brot mit Pfirsichen, Schinken und Frischkäse.
Leider haben die Olympiaveranstalter vergessen, die Mahlzeiten in dem Quarantänehotel für coronapositiv getestete Athleten zu optimieren. Die Armen erhalten dreimal täglich eine „Bento“-Box voller weißem Reis mit frittiertem oder gekochtem Fleisch und Fisch, sicher kein Höhepunkt der hiesigen Kochkunst. Der deutsche Radfahrer Simon Geschke, ein Veganer mit Corona-positiv-Ergebnis, tut mir daher echt leid, weil er während seiner Quarantäne nur den Reis aus dem Bento mit Sojasoße essen kann.
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