Wahlkampf: Lobbyarbeit für die Kleinsten

Die Familienpartei will die Familie zur Grundlage aller politischen Entscheidungen machen. Deshalb soll die Erziehung durch Gehalt und Rentenanspruch honoriert werden

Kinder und Familien haben keine Lobby Bild: DPA

Bücher, Kuscheltiere, Bälle und ein grünes Bobbycar - das Kinderspielzeug ist heute in die Ecke geräumt. Im Verein Löwenzahn in Oberschöneweide krabbeln mehrmals in der Woche Kleinkinder über den Teppich. Hier werden Familien beraten, wenn sie Fragen zum Kindergeld haben oder nicht wissen, wo der nächste gute Kinderarzt ist. Der kleine Raum dient aber auch als Treffpunkt der Familienpartei. "Zukunft wählen - Verantwortung leben" steht auf dem Wahlplakat vor der Tür. Sechs Füße schauen darauf unter einer orangefarbenen Decke hervor, der Farbe der Familienpartei.

Auch Jürgen Tartz trägt heute ein orangefarbenes T-Shirt. Er ist Landesvorsitzender der Familienpartei. 20 aktive Mitglieder engagieren sich im Landesverband, der seit 2004 existiert. "Es könnten natürlich mehr sein", sagt Tartz. "Aber wir befinden uns immer noch im Aufbau." Weil ihr die Leute fehlen, tritt die Familienpartei nur im Bezirk Treptow-Köpenick für die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) und für die Abgeordnetenhauswahl an. Spitzenkandidat ist hier wie dort Oliver Prutz, Erzieher im Hort und ehrenamtlich tätig im Löwenzahn-Verein. "Kinder und Familien haben keine Lobby", sagt der 49-Jährige. "Das muss sich ändern." Er habe nie in die Politik gewollt, doch als Erzieher und Vater von fünf Kindern sei er permanent mit den Problemen von Kindern und Familien konfrontiert worden. Häufiges Problem sei die Bürokratie: Viele Familien wüssten gar nicht, wie amtliche Formulare ausgefüllt werden müssten, sagt Prutz. Man müsse ihn nicht zu Themen wie Abrüstung oder Wirtschaft befragen, "aber von Familien verstehe ich etwas und darauf konzentriere ich mich".

Prutz und Tartz fordern ein Erziehungsgehalt und einen Rentenanspruch für das Großziehen von Kindern. "Die Arbeit des Elternteils, der zu Hause bleibt, muss honoriert werden", meint Prutz. Eltern und Kinderlose sollten finanziell gleichgestellt sein. Finanziert werden soll das über eine Familienkasse, in die jeder Deutsche einzahlen muss - unabhängig davon, ob er Kinder hat oder nicht. Ob das durchsetzbar ist? "Ich denke schon", sagt Tartz, der zwei Söhne hat. Es sei normal, dass Kinder die Rente der Elterngeneration zahlten. "Aber es kann nicht sein, dass Kinderlose auf Kosten von denjenigen leben, die Kinder großziehen." Spitzenkandidat Prutz hat auch ganz persönliche Anliegen in diesem Wahlkampf. Das Familienticket gelte in kulturellen Einrichtungen häufig für zwei Erwachsene und drei Kinder. "Aber wenn man mehr Kinder hat?", fragt Prutz. "Soll ich dann zwei meiner Kinder verscherbeln oder zu Hause lassen?" Ziel sei ein familienfreundliches Berlin. "100 Meter mehr Autobahn sind mir einfach nicht so wichtig wie Familienpolitik."

Zudem müsse jedes Kind Anspruch auf einen Hortplatz haben, unabhängig davon, ob die Eltern zu Hause seien oder nicht, denn: "Kinder lernen unglaublich viel, wenn sie mit Gleichaltrigen spielen." Gleichzeitig fordert die Familienpartei familienfreundlichere Arbeitsplätze.

Bei der vergangenen Europawahl erreichte die Familienpartei 0,7 Prozent der Berliner Stimmen. "Dass wir für das Abgeordnetenhaus kandidieren, hat taktische Gründe", sagt Tartz und lächelt. "So nehmen uns die Leute wahr, und wir sind bei den nächsten Wahlen keine Newcomer." Realistisch sei es, mit allen vier Kandidaten in die BVV Treptow-Köpenick zu kommen. "Das wäre das Non plus ultra", sagt Tartz. "Je beliebter wir sind, umso mehr nehmen uns die großen Parteien wahr und verstärken möglicherweise ihre Familienpolitik."

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