piwik no script img

Wahlkampf in Rheinland-PfalzKeine Ruhe unter der Brücke

Vor der letzten Wahl kämpften die Grünen gegen die Hochmoselbrücke. Seit sie regieren, würden sie das Thema am liebsten ausblenden.

Sorgt schon länger für Diskussionen: der Brückenbau über die Mosel, hier bei Zeltingen-Rachtig. Foto: dpa

Der Hochmoselübergang an der Mittelmosel, zwischen Ürzig und Zeltingen gelegen, erregt in Rheinland-Pfalz noch immer die Gemüter. 160 Meter hoch soll die „neue B 50“ von 2018 an Hunsrück und Eifel verbinden.

Die Verhinderung dieses umstrittenen Großprojekts, das von CDU-Politikern in den 60ern angestoßen und von der SPD-Regierung unter Kurt Beck durchgesetzt wurde, war vor fünf Jahren das bestimmende Wahlkampfthema der Grünen an der Mosel. Sogar der bekennende Weintrinker Joschka Fischer machte in Berlin an der Seite von Weinpapst Hugh Johnson gegen die Brücke mobil, weil weltweit einzigartige Weinlagen bedroht seien. „Wir werden sie schlagen“, rief Johnson damals, und „Joschka“ klatschte begeistert Beifall.

Inzwischen sind jedoch Fakten geschaffen worden. Von den zehn geplanten Betonpfeilern ragen bereits acht aus dem Moseltal in den Himmel. Neben den Giganten aus Beton wirkt der Kirchturm von Zeltingen-Rachtig geradezu mickrig. Die ersten Teile der Brückendecke sind vorgeschoben, das Ganze sieht aus wie ein gigantischer Skywalk. Schon jetzt ist klar, dass das Projekt deutlich mehr Geld verschlingt, als ursprünglich dafür veranschlagt wurde, von rund einer halben Milliarde Euro ist die Rede.

„Ein ökonomisch und ökologisch schädliches Wahnsinnsprojekt“, so nannte es vor fünf Jahren noch die grüne Spitzenkandidatin Eveline Lemke. Doch seit der rot-grünen Regierungsbildung in Mainz ist alles anders. Nach offizieller Lesart der Mainzer Landesregierung, der Lemke inzwischen als Wirtschaftsministerin angehört, ist dieser Moselübergang eine Riesenchance für die Region.

2014 musste die Ministerin sogar selbst Hand anlegen, um diese Deutung durchzusetzen. Als der Chefgeologe des Landes, Professor Harald Ehses, öffentlich über die „baulichen und finanziellen Risiken“ dieses Prestigeprojekts sprach, verpasste die grüne Dienstvorgesetzte dem Mann einen Maulkorb. Am Ende des Konflikts wurde er versetzt. Ehses hatte „wegen Mobbing“ auf Schmerzensgeld geklagt. Nach einem Vergleich erhielt er aus der Landeskasse 25.000 Euro.

Problem „Rutschhang“

Zwei der Brückenpfeiler auf dem Eifelufer stehen bei Ürzig an einem steilen Hang, in einer „Verwitterungszone“ des Schiefergebirges. Der Boden ist hier kein gewachsener Fels, sondern besteht aus kleinen und großen Steinen, aus Erde und Kies. Was den Wein der berühmten Mosellagen einzigartig macht – das „Terroir“, weil es für Wärme, Feuchtigkeit und Mineralstoffe sorgt – wird für die Brückenpfeiler zum ernsten Problem. Die Gesteins- und Erdmassen sind hier nämlich in Bewegung. Wenn sich ein solcher „Rutschhang“ auch nur wenige Zentimeter im Jahr bewegt, könnten die darin gründenden Pfeiler unter Spannung geraten, denn ihre Fundamente reichen nicht bis in den harten Felsgrund.

Dem Chefgeologen des Landes, der die Risiken des Bauprojekts ansprach, wurde von seiner grünen Vorgesetzten ein Maulkorb verpasst. Kritiker sprechen deshalb von Zensur

„Solche Rutschhänge reagieren sensibel auf Eingriffe, die ihr Gleichgewicht stören“, hatte Professor Ehses gesagt, als er noch öffentlich über das Thema reden durfte. Nach dem öffentlichen Streit über diese angeblichen oder tatsächlichen Sicherheitsprobleme und kritischen Wortmeldungen führender Geologen, unter ihnen Professor Rafig Azzam, Gutachter im Prozess über den Einsturz des Kölner Stadtarchivs, wurden weitere Gutachten eingeholt; ein anerkannter Fachmann, Professor Rolf Katzenbach, wurde als Berater verpflichtet.

Inzwischen steht fest: Der ehemalige Chefgeologe des Landes lag gar nicht so falsch. Der für den Bau verantwortliche Landesbetrieb Mobilität (LBM) plant jetzt nämlich zusätzliche Sicherungsbauten. Nach einer Ausschreibung vom 21. Januar dieses Jahres, die der taz vorliegt, sollen im Hang zusätzlich zu den Fundamenten sechs riesige „Dübel“ im Boden versenkt werden, 6 Meter dick und 40 Meter tief. Sie sollen den Hang stabilisieren. Die Messungen und Bohrungen an der Baustelle haben offenbar zu der Korrektur geführt.

Auf Anfrage versichert der LBM, über die schon früher gemessenen „Kriechverformungen von 0,6 mm pro Jahr in 22 Meter Tiefe hinaus“ seien im Hang keine weiteren Bewegungen festgestellt worden. „Allerdings müssen beim Monitoring die Messergebnisse ganzheitlich betrachtet und bewertet werden.“ Deshalb habe man sich entschlossen, die sechs Dübel zu planen. Weiter heißt es: „Aus den genannten Maßnahmen werden Mehrkosten resultieren. Wie weit dadurch die Gesamtkosten steigen, bleibt abzuwarten.“ Also: zusätzliche Maßnahmen, zusätzliche Kosten, so wie der geschasste Landesgeologe gewarnt hatte.

Während der LBM gerne Presseerklärungen zum Baufortschritt verschickt, erfährt die Öffentlichkeit von diesen nicht unbedeutenden Vorgängen erst auf Nachfrage. Professor Azzam, der das Projekt kritisch begleitet, hält die gewählte Strategie für plausibel. Der taz sagte er: „Durch die Aushebung dieser Massen wird der Obere Hang zusätzlich entlastet und die Standsicherheit erhöht.“ Es sei auch möglich, die Pfeiler und die „Dübel“ gleichzeitig zu bauen.

„Der Einbau der Anker geht schneller als der Bau der Pfeiler. Diese Vorgehensweise ist nicht kritisch. Ich gehe davon aus, dass die Stabilisierungsmaßnahme ausreichend ist. Der Berater der Prüfstatik, Prof. Rolf Katzenbach, geht sorgsam vor“, so sein Fachkollege Azzam.

Grüne in der Kritik

Die AktivistInnen der Bürgerinitiative Pro Mosel, die den Kampf gegen die Brücke verloren haben, bleiben skeptisch. „Wie können solche Einbauten die Stabilität sichern, wenn weder die Brückenpfeiler noch die Dübel den gewachsenen Fels erreichen?“, fragt Dr. Elisabeth Reis. „Verraten und verkauft“ fühlten sich viele Pro-Mosel-Aktivisten. Sie differenzieren zwischen den „Regierungs- und den Basisgrünen“.

Zu den „Regierungsgrünen“ zählen sie auch „die Jutta“, die örtliche grüne Landtagsabgeordnete Jutta Blatzheim-Roegler. Vor fünf Jahren, im Wahlkampf, kämpfte sie noch gegen das Projekt. Nach der Wahl habe sie zu denen gehört, die die Zustimmung der grünen Basis zum Koalitionsvertrag organisiert hätten. Beim Treffen mit der Bürgerinitiative am Moselufer, im Klostergarten Machern, mit Sicht auf die Brückenpfeiler, spricht Elisabeth Reis sogar vom „Sündenfall“.

Bis zuletzt gab und gibt es Treffen mit den früheren BundesgenossInnen. Zusammen mit der Landesarbeitsgemeinschaft Verkehr des grünen Landesverbands habe man im vergangenen Jahr mit Experten Zweifel an der Sicherheit der Planung erörtert und in einer gemeinsamen Presseerklärung öffentlich machen wollen. Doch der grüne Landesvorstand habe die Veröffentlichung, gegen das Votum der LAG-Vorsitzenden, gestoppt. „Hier handelt es sich offensichtlich um eine Zensur durch den Landesvorstand der Grünen“, so Georg Laska von Pro Mosel.

Gerne hätten wir mit Jutta Blatzheim-Roegler über die Vorgänge gesprochen. Sie ist Vizechefin der grünen Regierungsfraktion in Mainz. Doch sie habe leider keine Zeit, nicht mal für zehn Minuten am Telefon, teilt ihre Sprecherin mit.

Drei Tage später antwortet sie schriftlich: Die Sicherheit des Hochmoselübergangs sei von Anfang ihr Thema gewesen, so die grüne Abgeordnete. Nicht zuletzt auf ihre Initiative hin hätten sich die Bauplaner mit kritischen Geologen wie Prof. Azzam auseinandergesetzt. „Selbst kritische Experten halten den Bau für technisch machbar.“ Es werde jedoch teurer als in früheren Zeiten angenommen. „Die Hochmoselbrücke ist nicht unser grünes Projekt, sondern über Jahrzehnte von CDU, SPD und FDP verfolgt. Die landespolitische Entscheidung für das Projekt B50neu/ Hochmoselbrücke ist gefallen, als wir GRÜNE noch in der (außerparlamentarischen) Opposition waren“, so die Abgeordnete.

Kein Wort zum Vorwurf der Zensur.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare