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Wahlkampf in NiedersachsenEndspurt für Umfragen-Besieger

Der SPD-Kandidat Wolfgang Jüttner muss in Niedersachsen noch bis Ende Januar gegen Regierungschef Christian Wulff (CDU) ankämpfen. Ein fast hoffnungsloses Unterfangen.

Wie lange will sich "Wolle" das noch antun, fragen sich seine Genossen und Genossinnen Bild: dpa

OLDENBURG taz Wolfgang Jüttner hat 20 Sekunden. Wenig Zeit, um die neueste desaströse Wahlumfrage vor einer Fernsehkamera zu kommentieren. Jüttners SPD steht zweieinhalb Monate vor der Landtagswahl in Niedersachsen bei 33 Prozent, gnadenlose 11 Punkte hinter der CDU. Politprofis schaffen es, im Fernsehen auch die gruseligsten Werte als grandiose Siege zu verkaufen. Wolfgang Jüttner sagt einen Schachtelsatz, in dem "noch Potenzial" und "müssen mobilisieren" vorkommen. Der Spitzenkandidat der Niedersachsen-SPD verhaspelt sich dreimal.

Wie lange will sich der 59-jährige Chef der Landtagsfraktion das noch antun, fragen inzwischen viele Genossen ebenso besorgt wie genervt. Und bereiten sich bereits auf die übernächste Wahl 2013 vor, wenn Jüttner, der freundliche, eher linksgestrickte Sozi, längst in Rente gegangen ist. Die potenziellen Koalitionspartner bei den Grünen, laut Umfragen bei 9 Prozent, stöhnen über den lendenlahmen Jüttner. Die FDP, die von Demoskopen bei 7 Prozent gesehen wird, schließt eine Ampelkoalition unter seiner Führung kategorisch aus. "Wolle muss bleiben", höhnt die CDU. Wolle, das ist Wolfgang Jüttners Spitzname.

Am Wochenende durfte sich der Schnauzbart noch einmal auf dem SPD-Landesparteitag in Oldenburg feiern lassen. Die CDU-FDP-Landesregierung werde "eine kurze Episode in der Landesgeschichte darstellen", erklärte Jüttner vor 200 Delegierten. Die Niedersachsen wollten, "dass Schluss ist mit dieser Politik der sozialen Kälte und der Bildungsferne", sagte Jüttner. Als seine "Richtschnur für das Kabinett Jüttner in den nächsten fünf Jahren" gab der Kandidat aus: komplette Abschaffung der Kita-Gebühren, ein Ende der Studienbeiträge, Gratisbücher in den Schulen, ein Kinderbonus für sozial schwache Familien, der Strafvollzug dürfe nicht privatisiert werden, das Land soll wieder Öko-Strom in seinen Liegenschaften beziehen.

Fünf Minuten freundlicher Genossenapplaus, "Jüttner, Jüttner"-Rufe, Schilder mit dem Wahlprogramm-Motto "Gerechtigkeit kommt wieder" werden geschwenkt, die Jusos entrollen ein Plakat mit der Aufschrift "Umfragesieger-Besieger". Auch der SPD-Bundesvorsitzende Kurt Beck, der Jüttner unlängst zum Vorsitzenden einer Kommission gegen Kinderarmut erklärt hatte, war eigens nach Oldenburg gekommen. Beck schenkte dem "lieben Wolfgang" ein Steuerrad. Er hoffe, "dass wir uns im Januar treffen" - in der Riege der Ministerpräsidenten im Bundesrat.

Zugegeben, Jüttner hat es nicht leicht. Sein Gegner heißt Christian Wulff. Zweimal ist der smarte Aktenfresser an Gerhard Schröder in Niedersachsen gescheitert. Dann stieg Wulff vom "Milchbubi" zum "jungen CDU-Wilden" und 2003 zum Bezwinger des damaligen Ministerpräsidenten Sigmar Gabriel auf - mit 48,3 Prozent der Stimmen. Inzwischen gilt der CDU-Bundesvize und Schwiegermutter-Schwarm längst als potenzielle Kanzler-Führungsreserve - wenn er bei den Wahlen besser abschneidet als sein Rivale Roland Koch. Hessen wählt wie Niedersachsen am 27. Januar.

Der Sieg im unionsinternen Vergleich mit Koch könnte gelingen: Während es in Hessen knapp wird, würden sich bei einer Direktwahl in Niedersachsen heute 64 Prozent der Bürger für Wulff entscheiden, für seinen SPD-Rivalen Jüttner nur 21. Diesen kennen lediglich vier von zehn Wählern. In fast allen Politikbereichen liegt die CDU meilenweit vor der SPD. Geschickt hat Wulff nur in der ersten Hälfte der Legislatur bei Blinden, Landesbediensteten oder Hochschulen gespart - und damit Wählerstimmen riskiert. In den vergangenen Monaten räumte er dagegen viele Konfliktfelder ab: Nach wütenden Protesten verschärfte der Regierungschef einen liberalen Gesetzentwurf zum Rauchen in Kneipen. Hatte Wulff sich lange gesträubt, neue Gesamtschulen im Land zuzulassen, knickte er plötzlich ein: Nach der Wahl sollen Neugründungen wieder möglich sein. Nachdem sich beim Streit um oberirdische Stromkabeltrassen mehrere Bürgerinitiativen gegründet hatten, heckte Wulff einen Plan aus, diese unterirdisch zu verlegen - ausgerechnet mit SPD-Bundesumweltminister Gabriel.

Immerhin: Noch sind 30 Prozent der Niedersachsen unentschlossen, wen sie wählen sollen. Insgeheim hoffen einige Sozialdemokraten auf eine große Koalition. Dazu müsste jedoch die Linke in den Landtag einziehen. Laut Umfragen schafft sie jedoch nicht den Sprung über die Fünfprozenthürde.

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