Wahlkampf in Bremerhaven: Selfie mit einem Rechtspopulisten
Bremerhavener Politiker von CDU und Grüne knipsen ein Bild mit einem Bürger in Wut. Was wohl unpolitisch sein sollte, kritisiert die SPD.
Neben ihm hält Claas Schott, der für die Grünen in der Bremerhavener Stadtverordnetenversammlung sitzt, einen Flyer ins Bild. Und als dritter lächelt Sascha Schuster, Stadtverordneter der rechten Bürger in Wut (BiW), in die Kamera – und dafür hagelt es jetzt Kritik.
„Grüne und CDU haben offensichtlich ein Abgrenzungsproblem nach rechts“, kritisiert Bremerhavens SPD. Die nur im Land Bremen aktive Partei BiW bezeichnet sich selbst als bürgerlich-konservativ, wird politikwissenschaftlich aber als rechtspopulistisch eingeschätzt, schreibt die Bundeszentrale für politische Bildung.
Ihr Spitzenkandidat für die kommende Wahl ist Piet Leidreiter, der 2015 für die AfD in die Bremer Bürgerschaft gewählt wurde und 2017 zu den Bürgern in Wut wechselte. Auf einem Wahlplakat ist er derzeit mit dem Slogan „Gegen Denk- und Sprachverbote“ zu sehen.
Foto mittlerweile gelöscht
„Hinter der Fassade von BiW“, so die stellvertretende SPD-Vorsitzende Janina Strelow, „stecken enge Verbindungen zu ultrarechten Kreisen.“ Grüne und CDU müssten eine Seite wählen, fordert Bremerhavens SPD-Vorsitzender Martin Günthner: Entweder man kämpfe gegen rechte Parteien und ihre menschenfeindliche Hetze, „oder man macht sie hoffähig, wie es hier geschieht“.
Der kritisierte Facebook-Post von CDUler Neuhoff ist mittlerweile gelöscht, der taz liegt ein Screenshot vor. Darauf sind Foto und Bildüberschrift zu sehen – und außerdem, dass Thorsten Raschen, CDU-Fraktionsvorsitzender in der Stadtverordnetenversammlung, unter der Veröffentlichung auf den Button „Gefällt mir“ gedrückt hat.
Die SPD wirft zudem dem Grünen Claas Schott vor, das Foto auf seinem eigenen Profil geteilt zu haben. Die Pressestelle der Grünen widerspricht: Schott sei verlinkt worden, deshalb sei das Bild auch in seinem Profil aufgetaucht. Aktiv geteilt habe er es aber nicht.
Mittlerweile haben sich die Grünen und Schott selbst von dem Foto distanziert: Schott entschuldigte sich und erklärte, es hätte nie zu dem Foto kommen dürfen. Auf Facebook beklagt er, dass das Selfie der drei Männer in einen „politischen Zusammenhang gebracht worden“ sei. Neuhoffs Beitrag erwecke den Eindruck, er mache gemeinsame Sache mit Rechtspopulist*innen und stünde mit BiW und CDU gemeinsam gegen die SPD. Davon, ebenso von den Positionen der BiW, distanziere er sich ausdrücklich.
Entschuldigung auf Facebook
Dieter Neuhoff entschuldigte sich in einem Kommentar unter Schotts Facebook-Beitrag; dieser habe schließlich nichts für die gewählte Bildüberschrift gekonnt. Aber auch er findet: „Was dort hineininterpretiert wird, liegt leider nicht immer in unseren Händen.“ Abgesehen von diesem Kommentar hat sich die CDU bisher nicht öffentlich zu dem Vorfall positioniert.
Auf Anfrage der taz schreibt Bremerhavens Bürgermeister und CDU-Vorsitzender Torsten Neuhoff, die CDU nehme das Gruppenbild „lediglich zur Kenntnis“. Das Foto mit dem BiW-Politiker sei „ohne Aussagen zu politischen Einstellungen“ gemacht worden, erklärt er.
Erst Presseberichte hätten zu einer „irritierenden Bewertung“ geführt. „Die sich daraus ableitende Erklärung politischer Abgrenzung wäre aus Sicht der CDU Bremerhaven gar nicht notwendig gewesen“, so der Bürgermeister weiter. Über politische Zusammenarbeit entscheide schließlich der Kreisparteitag und auch das erst mit Vorliegen der Wahlergebnisse.
Jan Timke, Mitbegründer von BiW und langjähriger Bürgerschaftsabgeordneter, kritisierte die Distanzierung von Claas Schott: Dieser leiste „untertänigst öffentliche Abbitte“, offenbare so ein für die Grünen typisches „defizitäres Politikverständnis“, das nur politisch Gleichgesinnte akzeptiere. Die Empörung der SPD weist er als Wahlkampf zurück.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag