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Wahlkampf im Ostberliner Parlament

■ In der Sondersitzung der Stadtverordnetenversammlung gab der PDS-Vorsitzende Adolphi eine »persönliche Erklärung« zum Finanzskandal ab/ SPD-Fraktionschef Herbst: Auflösung der PDS!

Berlin. Wahlkampfstimmung breitete sich gestern auch in der Sondersitzung der Stadtverordnetenversammlung aus: Vor den regulären Tagesordnungspunkten sah sich der PDS-Vorsitzende Wolfram Adolphi genötigt, eine persönliche Erklärung zum Finanzskandal seiner Partei abzugeben. »Wir sind uns der Schuld bewußt, in der wir vor unseren Wählerinnen und Wählern stehen«, beteuerte Adolphi.

Der Transfer von Parteigeldern sei in keiner Weise zu rechtfertigen und Ausdruck einer weitverbreiteten Auffassung, derzufolge es »notwendig« sei, das Parteivermögen der PDS zu »bewahren«. »Die Entwicklung hat uns nun auf schmerzhafte Weise gelehrt, daß es ein solches Bewahren nicht geben kann«, erkannte der Berliner Parteichef. Gleichzeitig beschwor er, daß die PDS aufgrund des Wählervotums ihren legitimierten Platz in Berlin habe. Nebulös wurde Adolphi, als es um die Zukunft des Parteivermögens ging: »Wir werden uns von allem trennen, was nicht unmittelbar unserer politischen Arbeit dient«, und dieser Rest werde öffentlich dargestellt werden. Einen Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zu der Durchsuchung der PDS-Zentrale am 18./19. Oktober zog die PDS zurück, sie verurteilte aber die Aktion erneut als nicht rechtsstaatlich.

Die SPD wollte sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen, mit einer wirkungsvoll inszenierten Wahlkampfrede zu kontern: SPD-Fraktionschef Knut Herbst empörte sich über den »untauglichen Reinwaschungsversuch der PDS« und den Skandal einer Partei, »deren Strukturen, Denken und Kaderstamm sich in keiner Weise verändert« hätten. Es zeigten sich jetzt Geburtsfehler der PDS, die nie mit der SED-Vergangenheit abgerechnet habe.

»Es ist schamlos, wenn die PDS jetzt ankündigt, einen deutlichen Schnitt bei den Parteifinanzen zu machen.« Am Ende seiner Rede forderte er die PDS auf, sich aufzulösen. Während die SPD und Teile vom Bündnis 90 lautstark Beifall spendeten, hielten sich die Abgeordneten der CDU bei beiden Rednern auffallend zurück. Der PDS-Vorsitzende erhielt dafür — nicht zum erstenmal — Applaus von der Pressebank.

Weiter seiner Tätigkeit als Wirtschaftsstadtrat darf der Westberliner CDU-Abgeordnete Elmar Pieroth nachgehen: Ein Mißtrauensantrag der Fraktion Bündnis 90 wurde gestern mit 74 zu 55 Stimmen abgelehnt. Die CDU-SPD-Koalition verfügt über 71 Mandate und konnte vermutlich Liberale auf ihre Seite ziehen. Als Begründung für den Antrag hatte das Bündnis angeführt, Pieroth habe kein strukturpolitisches Wirtschaftskonzept erarbeitet und nur sporadisch an den Sitzungen des Parlaments teilgenommen. Über seine Tätigkeit habe die Stadtverordnetenversammlung nur aus der Presse erfahren. kd

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