Wahlkampf im Österreich: Auf Kosten von Ausländern
Kärntens Landeshauptmann Jörg Haider lässt sieben Asylbewerber in ein anderes Bundesland abschieben. Die Innenministerin stoppt die Aktion des Rechtsaußen. Was nun?
Der Wahlkampf in Österreich hat bereits begonnen. Und er wird auf dem Rücken von Asylwerbern ausgetragen. Am Freitag ließ Kärntens Landeshauptmann Jörg Haider, BZÖ, fünf Männer und eine Frau mit Kind, deren Asylverfahren laufen, in einen Bus packen und in Richtung Flüchtlingslager Traiskirchen in Niederösterreich transportieren. Der Bus wurde allerdings an der Grenze zwischen Kärnten und der Steiermark auf Weisung von Innenministerin Maria Fekter, ÖVP, gestoppt. Sie hält Haiders Aktion für einen "verfrühten und misslungenen Wahlkampfstart". Haider wirft der Ministerin Rechtsbruch vor und droht mit dem Richter.
"Wir haben uns gestern entschlossen, eine Reihe von straffällig gewordenen Asylwerbern abzuschieben", verkündete Haider am Samstag vor Journalisten, die sich über die nächtliche Abschiebung von einem Bundesland in ein anderes wunderten. Die Männer aus Nigeria, Aserbaidschan, der Mongolei, Sambia und Tschetschenien sollen in Drogengeschäfte, Gewalttaten und Serieneinbrüche verwickelt sein. "Zum Teil sind sie rechtskräftig verurteilt, zum Teil sind Verfahren anhängig", begründete der Landeshauptmann sein befremdliches Vorgehen.
Dem widerspricht das Innenministerium: Kein Einziger sei rechtskräftig verurteilt. Auch Maria Fekter, die ihr Amt erst vor drei Wochen mit starken Sprüchen gegen Asylmissbrauch angetreten hat, kann den Herumgeschobenen den gesetzlichen Schutz nicht verweigern. Selbst wenn sie schuldig gesprochen würden, müsste das Asylverfahren abgeschlossen werden, damit abgeschoben werden kann.
Am 28. September finden vorgezogene Nationalratswahlen statt. Und Haiders Bündnis Zukunft Österreich hat nur Aussichten auf Verbleib im Parlament, wenn es in Kärnten ein Direktmandat erringt. Jörg Haider weiß, dass starke Sprüche gegen kriminelle Ausländer immer gut ankommen: "Die Frau Innenminister, diese Asylanten-Mizzi, wird noch Telleraugen machen. Das waren noch lange nicht alle Asylanten, es kommen welche nach."
Eine Vereinbarung des Innenministeriums mit den Ländern sieht vor, dass jedes Bundesland einen bestimmten Prozentsatz von Asylwerbern in Bundesbetreuung übernehmen muss. Haiders Kärnten liegt notorisch unter dieser Quote - derzeit um 40 Prozent. Im Interview mit der Tageszeitung Österreich setzte Haider noch eins drauf: "Eines Tages wird es in unserem Land nur mehr Kärntner geben."
Die sechs betroffenen Personen warten derzeit in einer Pension in der Kärntner Stadt Wolfsberg, wo sie vom Bund betreut werden, auf eine Entscheidung über ihr Schicksal. Vor ihrem Abtransport mussten sie ein Schriftstück unterschreiben, dessen Inhalt sie nicht verstanden. Das Innenministerium spricht von Nötigung.
Das Lager Traiskirchen, südlich von Wien, wo Haider die angeblich Kriminellen abladen wollte, ist dank rückgängiger Asylbewerberzahlen zwar längst nicht mehr so überfüllt wie noch vor einigen Jahren, doch leben die Menschen dort in beengten Verhältnissen und oft Tür an Tür mit Angehörigen von Nationen oder Volksgruppen, mit denen sie im Konflikt stehen. Erst vor wenigen Tagen entluden sich die Spannungen in einer Massenschlägerei, nach der 27 Asylwerber vor die Tür gesetzt wurden. Vizebürgermeister Franz Gartner, SPÖ, befürchtet einen Erdrutschsieg der fremdenfeindlichen FPÖ in seiner Gemeinde.
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