Wahlkampagne der AfD: Leider gut
Die AfD verschleiert in Spots und auf Plakaten gekonnt ihre Radikalität. Die anderen Parteien können mit solch raffinierter Werbung nicht mithalten.
Ein Mann (klar, keine Frau) steht morgens früh auf. Gattin und Kind schlafen noch. Der Ernährer der Familie fährt im Mittelklassewagen durch das noch dunkle Berlin zur Arbeit. Er schaut, eher melancholisch als wütend, auf einen kleinen Müllhaufen am Straßenrand, sieht auf leer stehende kleine Geschäfte und einen Lieferdienstwagen mit amazonartigem Logo. Wir sollen denken: wie ungerecht.
Der Mann mit dem Allerweltsgesicht, dem Allerweltsnamen (Schmidt) und -job (Industriemechaniker) tut normale Dinge. „Normal klingt langweilig für Experten im Fernsehen“, hört man aus dem Off. Recht geschickt träufelt der Spot in die Alltagsszene politische Botschaften, eher dezent als krachend eingestreute Ressentiments gegen die Regierung (will nur unser Geld), Experten (haben keine Ahnung vom Leben) und durch ein Wettcasino mit Protzauto geschickt angedeutete Ausländerkriminalität.
Dieser TV-Spot der AfD ist so raffiniert und gekonnt wie der Slogan der Rechtsautoritären: „Deutschland, aber normal“. Der spielt mit einem Doppelsinn: der kollektiven Sehnsucht, dass wir nach dem Lockdown zu Normalität und Freiheit zurückkehren und einem Begriff des Normalen, der am Ressentiment siedelt und sortiert, was zu uns gehört und was nicht. Die AfD-Werbung unterlegt fast elegant Alltagsperspektiven mit rechten Sounds und Deutungen.
Auch die AfD-Straßenplakate sind recht pfiffig. „Lokal statt global“ formuliert einen Heimatbegriff, der auch an grüne und technikkritische Stimmungen anschlussfähig ist. „Tempolimit für grüne Verbote“ ist zwar kein besonders hintergründiger Gag, aber in einem ansonsten wortspielarmen Wahlkampf fast konkurrenzlos.
Empfohlener externer Inhalt
Ein Meinungsforschungsinstitut hat, bevor der Wahlkampf begonnen hatte, ein paar Dutzend Testpersonen AfD-Plakatmotive ohne Logo präsentiert. Die meisten ordneten die Plakate der Union zu – und waren anschließend entsetzt über ihren Irrtum. Das ist ein Erfolg für die AfD-Kampagnenmacher. Diese Kampagne ist leider gut.
Wenn man nur diese Spots und Plakate sieht, könnte man für einen Moment vergessen, dass die AfD sich in der Schmuddelecke von finsterem Rassismus, Hatespeech und bösartigem Rechtsradikalismus selbst häuslich eingerichtet hat.
Das Gegenteil des AfD-Spots stammt von der Linkspartei. Es ist ein Stakkato von Schwarz-Weiß-Bildern und eingeblendeter Schrift, ein irrwitziger Wirbel von Off-Kommentarbotschaften und rasender Bilderflut. Die ästhetische Doktrin dieses Spots ist die Reizüberflutung.
Wer sich noch nicht von der globalen Ungerechtigkeit, von Klimawandel, Mietenexplosion und überhaupt den Anstrengungen des Alltags überfordert fühlte – nach diesem Spot geht es ihm anders. Der Refrain dieses Spots lautet: „Wir brauchen dich.“ Sollte Werbung mir nicht besser etwas anbieten, anstatt etwas zu fordern?
Von Ernst Bloch stammt der Aphorismus „Nazis sprechen betrügend, aber zu Menschen, die Kommunisten völlig wahr, aber nur von Sachen.“ Wenn wir den Irrtum, dass Kommunisten einen besonderen Zugang zur Wahrheit haben, streichen, trifft diese Beobachtung auch Jahrzehnte später noch zu. Erstaunlich. Erschreckend.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld
Comeback der K-Gruppen
Ein Heilsversprechen für junge Kader