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Wahlen in TschechienBabiš landet in der zweiten Runde

Nach dem ersten Wahlgang muss Tschechien zwischen Ex-Premier Babiš und Ex-General Pavel als neuem Präsidenten entscheiden. In zwei Wochen ist die knappe Stichwahl.

Andrej Babiš mit seiner Frau Monika am Sonntag nach dem ersten Wahlgang: Ende Januar ist eine knappe Stichwahl zu erwarten Foto: Petr David Josek/AP

Prag taz | In knapp zwei Wochen kommt die spannende Stichwahl, nachdem die erste Runde der tschechischen Präsidentschaftswahlen am 13. und 14. Januar eine gelungene Vorspeise mit einem Stimmunterschied von knapp 0,4 Prozent war. Der Unternehmer, Ex-Premierminister (2017 bis 2021) und nun Präsidentschaftskandidat Andrej Babiš und der frühere Nato-General Petr Pavel lagen beim ersten Wahlgang fast gleichauf: 35 Prozent und 35,4 Prozent. Die Wahlbeteiligung von 68 Prozent gilt als die zweithöchste in der politischen Geschichte der Tschechischen Republik.

Der 68-jährige Oligarch Babiš, der ursprünglich aus der Slowakei stammt, prägt seit 2013 das politische Geschehen in Tschechien. Auch diese Präsidentschaftswahlen werden von Babiš bestimmt. Seine Reaktion auf das Wahlresultat am Wochenende lässt dabei eher auf einen gepfefferten zweiten Gang schließen. Pavel geht sogar mit einem leichten Vorsprung ins Rennen.

Im ersten Wahlgang lagen der Ex-Regierungschef und der frühere Nato-General gleichauf

Kaum war das endgültige Wahlresultat bekannt, schon redeten sich die Gegner von Pavel den General schön: Der 61-jährige Karrieresoldat, ehemaliger Chef des tschechischen Generalstabs und Nato-Militärauschusses, Träger des französischen Militärverdienstkreuzes, sehe wenigstens fesch genug aus, um auf Briefmarken und den obligatorischen Präsidentenportraits in tschechischen Klassenzimmern, ein gutes Bild abzugeben.

Am 27. und 28. Januar treffen sich dann der Ex-Premier und der Ex-General bei der Stichwahl und es wird entschieden, wer der Nachfolger des aktuellen Präsidenten Miloš Zeman wird. Zeman gewann die Präsidentschaftswahl 2013 und wurde 2018 wiedergewählt.

Seit 2012 wird der tschechische Präsident direkt gewählt

Bei den Präsidentschaftswahlen geht es in Tschechien um weit mehr als ein politisches Amt. Der Verfassung nach ist dessen Rolle nicht sui generis, wie die des deutschen Bundespräsidenten. Sie ist aber auch nicht bestimmend, wie die des französischen oder US-amerikanischen Staatsoberhaupts. Der Präsident ist in Tschechien Teil der Exekutive.

Bis 2012 wurde er von den Mitgliedern beider Kammern des tschechischen Parlaments, Abgeordnetenhaus und Senat, gewählt. Zu seinen Vollmachten gehörten die Ernennung der Regierung, der Richterinnen und Richter des Landes, des Chefs der Zentralbank und des Höchsten Kontrollamts.

Seitdem Tschechien 2012 die direkte Wahl des Staatsoberhauptes eingeführt hat, thront der Prager Hradčany, der auf einem Hügel gelegene Sitz des tschechischen Präsidenten, umso mehr wie eine alternative Macht über der Straka-Akademie, wo die Regierung der Tschechischen Republik auf der sogenannten Prager Kleinseite, am linken Ufer der Moldau, sitzt.

Schon Václav Havel, ein tschechisches Idol, nutzte während seinen Präsidentschaften zwischen 1989 und 2003 seine Vollmachten, um Gesetze oder die Ernennung von Ministern zu torpedieren. Denn laut Verfassung kann der Präsident sich die Ernennung von Ministern vorbehalten, an Regierungssitzungen teilnehmen und die Regierung konstruktiv hinterfragen.

Seit Babiš auf die politische Bühne sprang, vor knapp über zehn Jahren mit der Gründung seiner populistischen Einmannbewegung ANO 2011, spaltet er die tschechische Gesellschaft. Sein Wählerpotenzial liegt in den Dörfern und Kleinstädten. Pünktlich eine Woche vor dem ersten Wahlgang wurde er wegen Betrug in Zusammenhang mit EU-Fördermitteln in Höhe von umgerechnet zwei Millionen Euro freigesprochen.

Mitfavoritin Danuše Nerudová ist im ersten Wahlgang mit nur 13,9 Prozent ausgeschieden. Alle erwarten, dass der Wahlkampf bis Ende Januar richtig schmutzig wird.

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