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Wahlen in BolivienMorales vor zweiter Amtszeit

Der erste indigene Präsident des Landes geht als großer Favorit in die Wahlen am Sonntag. Seine umfangreichen Sozialprogramme sichern ihm den weiten Vorsprung.

Evo Morales: Millionen identifizieren sich mit dem früheren Lamahirten und Kokabauern aus dem Andenhochland. Bild: ap

PORTO ALEGRE taz | Am Sonntag geht es nicht mehr darum, ob Evo Morales als Präsident Boliviens im Amt bestätigt wird, sondern nur noch um die Frage, wie deutlich. Umfragen zufolge dürfte er die 50-Prozent-Marke locker überwinden – seine zwei rechten Kontrahenten, Cochabambas Exgouverneur Manfred Reyes Villa und Burger-King-Unternehmer Samuel Doria Medina, liegen zusammengerechnet 20 Prozent dahinter.

Morales "Bewegung zum Sozialismus" (MAS) strebt gar eine Zweidrittelmehrheit im Parlament an – eine wichtige Voraussetzung, um die Ziele der neuen, "plurinationalen" Verfassung vom Januar 2009 ohne Blockaden von rechts in konkrete Gesetze gießen zu können.

Der 50-jährige Aymara Morales verdankt seine Popularität vor allem der Tatsache, dass er seine Wahlversprechen von 2005 umgesetzt hat. Er führte flächendeckende Sozialprogramme für Schüler, Rentner und Schwangere ein.

Möglich wurde dies, weil er zuvor mit seiner Nationalisierungspolitik die Staatseinnahmen am Erdgasexport stark erhöht hatte: Vor vier Jahren blieben dem Staat 27 Prozent der Reingewinne, heute sind es je nach Anlage 65 bis 77 Prozent. Auf dem Höhepunkt der Weltwirtschaftskrise im ersten Halbjahr 2009 hatte Bolivien mit 3,2 Prozent sogar das höchste Wachstum in ganz Amerika. Zu verdanken war dies auch der deutlichen Steigerung öffentlicher Ausgaben im Kontrast zu den klassischen Rezepten des Internationalen Währungsfonds.

Machtpolitisch agieren Morales und sein Führungszirkel, allen voran Vize Álvaro García Linera, pragmatisch. Seit ihrem historischen Wahlsieg vom Dezember 2005 haben sie ein ziemlich autoritäres, aber wirkungsvolles Machtsystem entwickelt. Die Banken sind zufrieden, auch viele Unternehmer.

In der MAS tummeln sich nicht nur Basisaktivisten, sondern auch immer mehr karrierebewusste Mitläufer. Doch identifizieren sich nach wie vor Millionen mit Morales, dem früheren Lamahirten und Kokabauern aus dem Andenhochland. "Er ist einer von uns", heißt es immer wieder.

Nachdem die Opposition aus dem östlichen Tiefland im September 2008 Bolivien an den Rand eines Bürgerkriegs geführt hatte, meisterte die Regierung die Krise mit Hilfe ihrer südamerikanischen Nachbarn. Durch Verhandlungen mit kompromissbereiten Teilen der Opposition und die Unterstützung seiner Basis von Kleinbauern und Gewerkschaftern konnte Morales seine Position festigen.

In seiner zweiten Amtszeit möchte er die Industrialisierung unter Regie des Staates ausbauen. Bei der Abschlusskundgebung in El Alto am Donnerstag forderte Morales vor hunderttausenden Anhängern die Mittelschicht auf, sich dem "revolutionären Prozess" anzuschließen.

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9 Kommentare

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  • M
    MoritzMaier

    Es ist ja unglaublich mit welcher Wut hier manche auf Herrn Apel einhauen. Zumal er nur seine Erfahrung dargelegt hat und sogar extra betont, dass er kein Experte ist, dass seine Meinung also auch falsch seien kann.

     

    Wieso ist es em gesunden Menschenverstan dwieder sich in Santa Cruz über Morales zu erkundigen? Darf man das nur in MAS-freundlichen Gebieten tuen?

     

    Das die Demokratie in Bolivien reibungslos verläuft ist ebenso ideologisch verklärt, wie die antiamerikanische Hetze von Herrn Taipan.

     

    Ebenso kann man es doch nicht ernst meinen, wenn man behauptet, dass Evos Kritiker_innen ihn ausschließlich kritisieren, weil sie selber nicht von Morales profitieren.

     

    Das Evo Morales mit Diktaturen zusammenarbeitet ist auch kein konter-revolutionäres Horrormärchen sondern Realität.

    Korruption und Koks-Produktion sind auch wirklich gestiegen.

     

    Was alerdings nicht stimmt, ist, dass die MAS es nicht geschafft hat, die Mittelschicht zu integrieren. Gerade im letzten Wahlkampf und in den neueren Taktiken wird auch immer mehr Intellektuelle angeprochen und aktiv mit einbezogen.

     

    Ebenso falsch ist es dass sich das Land weiter polarisiert. Es IST immer noch polarisiert und es wurde auch ein Lagerwahlkampf gemacht, aber die Opposition ist seit letztem Jahr immer stärker geschwächt. Selbst in den traditionell opositionellen Regionen konnte sich die Regierung verankern. Evo ist zu seiner Wahlkampfkampagne durch dasganze Land gefahren und halt auch in Santa Cruz reden gehalten, das wäre September 2008 nie denkbar gewesen. Man könnte also eher von einer Einigung sprechen.

     

    Das die Wirtschaft sich auch verbessert hat wurde ja schon erwähnt.

     

    Das mit der legalisierung regionaler Justizsysteme stimmt, von Lynchjustiz habe ich aber noch nichts gehört, es währe aber sehr interessant wenn jemand mehr darüber wüsste.

  • M
    Martin

    @Heino Apel

     

    Ich mache seit jetzt etwas mehr als einem Monat meinen Freiwilligendienst in El Alto. Hier haben 75% fuer Morales gestimmt.

     

    Als Morales am Donnerstag seine Kampagne beendete, hier, in der "Ceja" von El Alto, kamen mehr als eine Million Menschen.

     

    Selbst Konservative erkennen die gute Bildungspolitik Morales an ("Bono Juancito Pinto").

     

    Dass Menschen in Santa Cruz oder Pando (oder eventuell auch in Sucre) ihn nicht moegen, ist klar: Sie sind nicht die, die von seiner Regierung profitieren. Das tun die Aermsten, die jetzt zum grossen Teil sauberes Trinkwasser, sanitaere Anlagen und haeufig Fleisch und Milch zur Verfuegung haben. Kommen Sie doch mal in den Distrito Ocho von El Alto, und Sie werden sehen, welche Clientel Morales waehlt, und dass die Demokratie einwandfrei funktioniert!

  • N
    nochmaltaipan

    @ in welcher Sprache hat du dich denn mit den den Marktfrauen, den Taxifahrern bis zu den Touristikveranstaltern unterhalten?

     

    Ich glaube nicht, dass du dich jemals mit einem normalen Bürger in der Landesprache in Bolivien unterhalten hast.

     

    Vielleicht warst du noch nie in Bolivien?

  • T
    taipan

    @Heinz Apel:

    Du hast es wenigstens selbst erkannst, dass du kein Experte bist.

    Man kann es dir vielleicht gar nicht übel nehmen, wenn man sieht, wie selektiv, manipulierend gewisse Teile der deutschen/westlichen Presse über die grossartigen Wirtschafterfolge von Evo Morales berichten. Selbst der IWF lobte Bolivien vor 3 Wochen, obwohl Morales bewusst andere, nachfrageorientierte Rezepte - und damit der Ideologie des IWf konträre- wählt.

     

    http://lta.reuters.com/article/businessNews/idLTASIE59P1FP20091026

     

    http://www.emol.com/noticias/internacional/detalle/detallenoticias.asp?idnoticia=386846

     

    http://www.radiolaprimerisima.com/noticias/alba/63436

     

    Für nicht spanisch Sprechende:

    http://www.neues-deutschland.de/artikel/159013.boliviens-wirtschaft-glaenzt.html

     

    zu deinem Artikel des wallstreet journals bzgl. morales und der demokratie:

     

    Ist die USA eine Demokratie?

    Hat die USA plutokratische Tendenzen?

    Ist Demokratie immer das non-plus-ultra?

     

    Menschen aus der Demokratische Republik Kongo, Afghanistan werden dem sicher nicht beipflichten.

    Chinesen, die es mit harter Arbeit geschafft haben, in den Mittelstand aufzusteigen wohl auch nicht.

    Was ist passiert aus der Demokratie im Kongo?

    Was hat die tolle Operation EUFOR RD Congo in demokratischen Masstäben gebracht?

     

    Auch hat der wahlerfolg nur nebenrangig mit den Sozialprogrammen, wie in dem taz-Artikel behauptet, zu tun. Es hat umso mehr mit einer sehr guten Wirtschaftspolitik zu tun.

  • V
    venceremos

    62% sind ein deutliches Wort.

    Da waren sicher viele Marktfrauen dabei.

     

    "Die sozialistische Wirtschaftspolitik der bolivianischen Regierung unter Evo Morales hat von gänzlich unerwarteter Seite großes Lob erhalten. Ausgerechnet der neoliberal ausgerichtete Internationale Währungsfond (IWF) bescheinigte der bolivianischen Volkswirtschaft nun angesichts der Weltwirtschaftskrise besonders stabil zu sein"

  • S
    skipjack

    Dass Chile das Erdgas nicht von Bolivien bezieht ist voellig richtig. Allerdings nicht weil Chile das nicht wollte, sondern weil Bolivien nicht bereit ist Gas an Chile zu liefern. Bolivien verkauft sein Erdgas bewusst nicht an Chile, das liegt an den problematischen politischen Beziehungen der beiden Laender die vor allem historisch bedingt sind (Salpeterkrieg). Uebrigens verkauft Bolivien sein Erdgas an Argentinien nur mit der Auflage, dass Argentinien es nicht an Chile weiterverkauft.

  • M
    Mizzo

    Respekt Herr Apel, sich in Santa Cruz über Evo Morales zu unterhalten! Dies zeugt von Menschenverstand!

    Fragen Sie doch mal Ihren Touristikveranstaler warum in El Alto Menschen kein Geld haben um ihr Wasser abzukochen!

     

    Lassen Sie mich raten...Tourist!

  • HA
    Heino Apel

    Ist dieser Beitrag aus dem MAS-Wahlprogramm abgeschrieben? Das Experiment Evo Morales geht leider den Weg, den bislang alle Linksreformer gegangen sind, es endet in Diktatur und Disaster. Ich war in Sucre und in Santa Cruz, von den Marktfrauen, über Taxifahrer bis zu den Touristikveranstaltern liebt da niemand Morales. Es ist ihm wohl nicht gelungen, die Mestizen, Mittelschichten und andre Indiostämme einzubeziehen. Ich habe dort gehört, dass Chile das Erdgas nicht mehr abnimmt, und der Export stagniert, die Erneuerungsgelder verschwinden im Korruptionsdschungel, und die Korruption habe in den letzten Jahren sehr zugenommen, nachprüfen konnte ich das nicht. Das Land ist polarisiert (laut FAZ-Artikel), und es entwickelt sich zu einer Diktatur, die jegliche Opposition niedermacht (vgl. Wallstreet Journal, Stichwort Bolivien, z.B. http://online.wsj.com/article/SB10001424052748704888404574549741582508178.html)

    Der Cocainexport ist um 64% gesteigert worden - indigenes Recht kann nicht vom Landesrecht gebeugt werden, mit der Folge, dass Lynchjustiz legal ist - usw. alles prima links?

    Wenn Rechte auf dem rechten Auge blind sind, sollte die TAZ nicht ebenfalls auf dem linken Auge blind sein.

    Ich bin leider kein Experte, aber Dilgers Artikel kommt mir sehr blauäugig vor, vielleicht könnte man da doch noch nachbessern?

    Gruß

    Heino Apel

  • S
    Sonne

    Ich wünsche dem ersten indigenen Staatsoberhaupt viel Glück. Nach 500jähriger Fremdherrschaft ist das mehr als ein hoffnungsvolles Zeichen. "Die Opposition", das sind die Reichen, die Demokratie nur dann respektieren, wenn diese ihre Wünsche widerspruchslos bedient.