: Wahldruck der USA
■ In Bosnien soll auf amerikanischen Wunsch frühestmöglich gewählt werden
Genf (taz) – Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und ihr Vorsitzender, der Schweizer Außenminister Flavio Cotti, stehen unter massivem Druck der USA, umgehend den 14. September als Termin für die Wahlen in Bosnien zu verkünden. US-Außenminister Warren Christopher machte diese Erwartung bei seinem gestrigen Treffen mit Cotti in Genf „unmißverständlich deutlich“, berichteten Mitglieder der US-Delegation gegenüber der taz. Nach Angaben von US-Journalisten sollte Cotti veranlaßt werden, diese Entscheidung bereits nach dem gestrigen Treffen mit Christopher zu verkünden.
Laut Fahrplan soll der Chef der OSZE-Mission in Bosnien, US- Botschafter Robert Frowick, seine Empfehlung erst in der ersten Junihälfte abgeben. Frowick hat aber durchblicken lassen, daß er für den Wahltermin 14. September plädieren wird. Frowicks Stellvertreter als OSZE-Missionschef in Bosnien war bereits Mitte Mai zurückgetreten, weil er die Herstellung von Bedingungen für „freie und faire“ Wahlen für unmöglich hält. Zu dieser Einschätzung kommen auch OSZE-Mitarbeiter in Sarajevo und anderen bosnischen Orten in internen Berichten, die dieser Zeitung vorliegen.
Nach diesen Berichten sind die zentralen Voraussetzungen für „freie und faire“ Wahlen (Bewegungsfreiheit, Rückkehrmöglichkeit für Flüchtlinge, die Einrichtung unabhängiger Medien und der freie Zugang zu diesen Medien) fast nirgendwo in Bosnien erfüllt. Menschenrechtsverletzungen und die Bedrohung ethnischer Minderheiten seien weiterhin an der Tagesordnung.
Als besonders ungenügend beschreiben die OSZE-Mitarbeiter die Lage in der bosnisch-serbischen Teilrepublik. Die bosnischen Serben verweigerten bislang jegliche Zusammenarbeit mit der Wahlkommission der OSZE und verhinderten die Ausbildung lokaler Wahlbeobachter in ihrer Teilrepublik. Am 16. Mai wurde auf das Auto eines OSZE-Mitarbeiters auf bosnisch-serbischem Gebiet ein Sprengstoffanschlag verübt.
Die Führung der Serben in Pale informierte die OSZE darüber, daß sie entgegen den Bestimmungen des Dayton-Abkommens zunächst eine separate Wahl in ihrer Teilrepublik durchführen wolle, um ihren Kandidaten für die künftige dreiköpfige Präsidentschaft Gesamtbosniens zu bestimmen. Zu Kooperation mit der OSZE bereite Behördenvertreter oder Polizisten würden von der Führung in Pale durch Personen ersetzt, die dem bisherigen Präsidenten der Teilrepublik, Radovan Karadžić und dessen Vertreterin Biljana Plavšić treu ergeben seien, heißt es in den internen Reporten.
Der OSZE-Vorsitzende Cotti will seine definitve Entscheidung über den Termin der Wahl in Bosnien nach den Konsultationen des Rates der 53 OSZE-Botschafter und einer Bilanzierung des Dayton-Abkommens, sechs Monate nach seiner Unterzeichnung, am 14. Juni in Florenz verkünden.
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