Fifa

Heute wählt der Internationale Fußballverband einen neuen Chef.Doch nichts spricht dafür, dass ein neuer Geist einziehen wird

Es bleibt in der Familie

Geld Stimmenkauf, Unterdrückung politisch unliebsamer Sportler und null Bezug zu Fußball: Scheich Salman gilt trotzdem als Favorit bei der Wahl zum Fifa-Vorsitz

Der Alte und sein Nachfolger? Scheich Salman von Bahrain (rechts) dürfte die Fifa in ihren alten Strukturen belassen Foto: Ratnayake/Anadolu Agency/afp

von Andreas Rüttenauer

Die Fifa bleibt die Fifa. Da können die US-Behörden noch so viele bestechende und bestechliche Funktionäre festnehmen lassen. Da können noch so irre Nachrichten über bis dato unbekannte Schmiergeldzahlungen die Schlagzeilen dominieren. Da können noch so viele Funktionäre heilig versprechen, dass jetzt alles anders wird, nachdem die Fifa selbst ihren Langzeitpräsidenten und obersten Hüter des korrupten Systems, Sepp Blatter für sechs Jahre vom Fußball ausgeschlossen hat. Die Fifa bleibt sich treu.

Und so wundert sich niemand, dass einem der Kandidaten um das Amt zwei Tage vor dem Votum von einem veritablem britischen Parlamentsmitglied vorgeworfen wird, er habe Stimmen gekauft. Die Rede ist von Salman bin Ibrahim al-Chalifa, dem Präsidenten des Fußballverbands von Bahrain. Der wollte 2009 Chef des Asia­tischen Kontinentalverbands werden und soll Gelder aus Fifa-Entwicklungsprogrammen zum Stimmenkauf eingesetzt haben. Das zumindest behauptet der Abgeordnete der Konservativen im Unterhaus, Damian Collins. Er scheiterte, versuchte es vier Jahre später noch einmal. Für die dann erfolgreiche Wahl 2013 soll er mindestens die Stimme Kirgisistan gekauft haben.

Natürlich gibt es längst ein Dementi des blaublütigen Kandidaten, der dem bahrainischen Herrscherhaus angehört. Und natürlich kann sich niemand vorstellen, dass die frischen Vorwürfe irgendeinen Einfluss auf die Abstimmung am Freitag haben könnte. Da ist noch nie ein Funktionär gewählt worden, obwohl er Stimmen gekauft hat, sondern weil er Stimmen gekauft hat. So ist sie eben, die Fifa.

Und so wird sie wohl bleiben. Scheich Salman gilt als Favorit für die Wahl. Dafür soll ein anderer Scheich gesorgt haben. Ahmad al-Fahad al-Sabah, der Chef des Nationalen Olympischen Komitees von Kuwait ist ein versierter Stimmenorganisator, ohne dessen Hilfe es der deutsche Thomas Bach eher nicht an die Spitze des Internationalen Olympischen Komitees geschafft hätte. Um ihn gibt es vor der Wahl von Zürich jede Menge Gerüchte. Da twittern Journalisten, sie hätten Informationen aus dem Umfeld eines Kandidaten, der gesagt habe, der Kuwaiter sei sich sicher, dass der Bahrainer bereits 105 der 207 Stimmen sicher habe. Wenn der ­Bahrainer wirklich gewinnen sollte, niemand würde sich wundern. Man ist bei der Fifa. Da gewinnt der die Wahl, der sich die meisten Stimmen organisiert.

Es wundert sich auch niemand darüber, dass ein Mann aus Bahrain über den Weltfußball regieren will. Die Fifa hat ja auch schon eine ganze Fußball-WM nach Katar vergeben, einem Land, dessen größter fußballerischer Erfolg die Verpflichtung des im Karriere­herbst müde geworden spanischen Weltmeisters Xavi Her­nán­dez, für ein Liga­team ist. Bahrain, das Inselkönigreich im Persischen Golf, hat keine 1,5 Millionen Einwohner und wahrlich keine große Fußballgeschichte. Zweimal wä­re die Nationalmannschaft Bah­rains fast bei einer WM gelandet. Vor den Turnieren 2006 und 2010 fehlte in den Playoffs jeweils nur ein Tor zum großen Turnier. Als Fußballnation wird das Königreich deshalb dennoch wohl niemand bezeichnen. Weil Salman aber Geld versprochen hat, weil er dafür sorgen will, eine Finanzierungslücke von über 500 Millionen Euro zu schließen, die sich bald auftun könnte, weil nach all den Korruptionsskandalen des vergangenen Jahres keine neuen Großsponsoren bei der Fifa anklopfen, wird er geschätzt.

Und nicht mal, dass Scheich Salman vorgeworfen wird, in der wohl finstersten Fußballgeschichte des Landes eine üble Rolle gespielt zu haben, macht ihn als Fifa-Boss undenkbar. Ein Verband, der nicht dafür sorgen kann, dass Menschen für den Bau von WM-Stadien nicht versklavt werden, wie es in Katar geschieht, der nicht garantieren kann, dass ein Einsatz auf einer Baustelle nicht tödlich endet, der wird nicht allzu laut aufschreien, wenn publik wird, dass einer seiner Funktionäre an der blutigen Niederschlagung der Reformbewegung 2011 in Bahrain beteiligt war. Sportler, die mitdemonstriert haben, wurden damals von ihren Verbänden aus den Kadern entfernt, weggesperrt und gefoltert. Daran gibt es keinen Zweifel.

Salman sagte über jene Zeit, er habe von alledem nichts gewusst, und eine aktive Rolle habe er schon gar nicht gespielt bei der Unterdrückung des Aufstands der schiitischen Minderheit des Landes, der mit Hilfe aus Saudi-Arabien blutig niedergeschlagen worden war. Dass die bahrainische Nachrichtenagentur BNA, eine staatsnahe Einrichtung, nach der Niederschlagung vermeldete, Scheich Salman sei mit der Leitung einer Kommission betraut, die aufmüpfige Sportler aufspüren sollte, spricht dagegen.

Es ist keiner gewählt worden, obwohl, sondern weil er Stimmen gekauft hat

Das WDR-Magazin „Sport inside“ hat einen nach Australien ausgewanderten Fußballer gesprochen, der in Bahrain zum Folteropfer geworden war. Seine Familie hatte Salman als Präsident des Fußballverbands um Hilfe gebeten. Zumindest von diesem Fall müsste der Scheich also Kenntnis haben.

Immerhin hat der DFB angekündigt, Salman die Stimme zu verwehren. Reinhard Rauball, der als Vertreter des Deutschen Fußball-Bunds zum Fifa-Kongress reist, hat das Thema Menschenrechte als ein Gewinnerthema für den Fußball ausgemacht. Es dürfe da keinen Sündenfall geben, meint er. Er steht mit seiner Meinung gewiss nicht allein da. Auch für die Engländer ist Salman ein Problemkandidat.

Es ist auch die Fifa selbst, die mit ihrer Wahlkommission verhindert, dass sich die Kandidaten ernsthaft mit umstrittenen Positionen beschäftigen. Der jordanische Prinz Ali, einer der drei chancenlosen Kandidaten, hatte leise Kritik an Salmans Äußerungen zu den Vorgängen in Bahrain geäußert und umgehend Post von der Wahlkommission bekommen. Man solle sich nicht zu Kandidaten äußern, hieß es. Jetzt sagt er nichts mehr. Wundert das irgendjemanden? Es soll eben alles in der Familie bleiben. So wollte es Sepp Blatter immer, und so soll es auch bleiben.

Ein Fußballfamilienmensch ist gewiss auch Gianni Infantino, der Kandidat, der von der Uefa als Platzhalter für den wegen Korruption aus dem Verkehr gezogen Michel Platini ins Rennen geschickt wurde. Dieser Bewerber, der Salman noch am ehesten gefährlich werden könnte, hat sich mit Tokyo Sexwale, dem völlig unambitionierten Kandidaten aus Südafrika, auf der Gefängnisinsel Robben Island getroffen. Dort hatten Gefangene um die Befreiungsikone Nelson Mandela einst eine Fußballmannschaft gegründet. „Leidenschaft und Menschlichkeit im Fußball gibt es überall“, hatte Infantino nach seinem Besuch getwittert. Sepp Blatter, der auch so gern das Gute im Fußball sehen wollte, hätte es nicht schöner sagen können. Schön vor allem für Leute wie Scheich Salman. So hat man in der Fifa immer über Menschenrechte gesprochen. Gut möglich, dass das so bleibt.

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Heute wählt der Internationale Fußballverband einen neuen Chef.Doch nichts spricht dafür, dass ein neuer Geist einziehen wird

Fünf Kandidaten und ein großes Projekt
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Fünf Kandidaten stehen heute zur Wahl, wenn in Zürich eine neuer Fifa-Präsident gewählt wird. Zwei Bewerbern werden ernsthafte Chancen eingeräumt. Der eine ist der Präsident des Fußballverbands von Bahrain Sal­man bin Ibrahim al-Chali­fa. Der kann sich vor allem auf die Unterstützung von Mitgliedsverbänden aus Asien und Afrika verlassen. Eine Kooperationsvereinbarung zwischen dem asiatischen und dem afrikanischen Kontinentalverband wurde mitten im Wahlkampf abgeschlossen.

Salmans härteste Konkurrent ist der Schweizer Gianni Infantino. Der hat versprochen, sich für eine Ausweitung des WM-Turniers auf 40 Teilnehmer einzusetzen, und er verspricht kleineren Verbänden mil­lio­nen­schwere Entwicklungsprogramme. Unterstützt wird er von der Europäischen Fußballunion Uefa, die ihn anstelle des wegen Bestechlichkeit suspendierten Ex-Fifa-Chefs Mi­chel Platini ins Rennen um die Fifa-Spitze geschickt hat. Die Uefa hat Infantinos Wahlkampf mit 500.000 Euro finanziert und ihrem Generalsekretär so eine Wahlkampftour über den gesamten Globus beschert, die ihn unter anderem nach Juba, der Hauptstadt des Südsudan, geführt hat, von wo er prompt eine Stimme mitgebracht hat.

Der jordanische Prinz Ali bin al-Hussein hat schon mal versucht Fifa-Präsident zu werden. Beim letzten Wahlkongress im Mai 2015 unterlag er Sepp Blatter. Dass er wie damals noch mal 73 Verbände hinter sich bringen kann, gilt als unwahrscheinlich.

Was Tokyo Sexwale,bekennender Freund Blatters, bewogen hat, für das Amt des Fifa-Präsidenten zu kandidieren, weiß niemand so genau. Selbst in seiner Heimat Südafrika musste er sich vor seinem Verband für seine laue Kampagne rechtfertigen.

Ebenso wenige Chancen wie Sexwale hat der fünfte Kandidat, Jérôme Champagne.Der ehemalige Fifa-Manager aus Frankreich hat sich in der Woche vor der Wahl noch artig bei seinem prominentesten Unterstützer be­dankt, der brasilianischen Kicker­legende Pele. Doch der hat auf dem Kongress keine Stimme.

Vor allem die beiden Favoriten unterstützen das beim Kongress zur Abstimmung stehende Reformpaket. Danach sollen dem Präsidenten eher Kon­troll- und Repräsentationsaufgaben zukommen. Die zen­tra­le Figur wird ein noch zu bestimmender Geschäftsführer sein, und die Exekutive wird durch ein Council ersetzt, dem mindestens sechs Frauen angehören sollen. Auch was die angestrebte Amtszeitbegrenzung von Funktionsträgern auf 12 Jahre betrifft, sind sich die Kandidaten einig. Dreiviertel der 207 ­Delegierten müsse für die Reform stimmen. Nur dann wird es zu Integritätschecks aller Amtsträger kommen und zu einer Besetzung der rechtlichen Instanzen mit externen Kandidaten.