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Wahl schlapp Kohl stolz Kabinett lau

■ Unzufriedenheit über das neue Kabinett / Baum (FDP) ging leer aus / Klein (CSU): Minister im BMZ

Aus Bonn Oliver Tolmein

Die Wahl des Bundeskanzlers endete gestern morgen überraschend: Von den anwesenden Unionsabgeordneten stimmten zwölf gegen Dr. Helmut Kohl, der nur 253 Stimmen von 486 Stimmen insgesamt (und 13 von 22 Berliner Stimmen) auf sich vereinigen konnte. Das magere Wahlergebnis ist Ausdruck der Unzufriedenheit in der Unionsfraktion. Ursache der Verärgerung: die gestern bekanntgewordene Kabinettsliste. Hätte Kohl sein altes Kabinett nur geringfügig verändert - die Abgeordneten wären zufrieden gewesen und hätten auf die angekündigte umfassende Kabinettsreform 1988 gewartet. So aber hat sich „viel geändert, und es ist doch alles beim alten geblieben“, kritisierte ein Unionsabgeordneter. Diese Kritik richtet sich vor allem dagegen, daß allgemein als wenig profiliert oder sogar als skandalträchtig geltende Minister wie Wilms, Engelhard, Wörner oder Schwarz–Schilling im Kabinett verbleiben, in weniger wichtigen Ressorts wie im Verkehrsministerium aber Veränderungen vorgenommen werden. Bei der Kabinettsumbildung, so Kritiker, fehle jeder „Aha–Effekt“. Heute wird das neue Kabinett vereidigt werden. Am bemerkenswertesten ist, daß „der Riesen–Staatsmann Mümmelmann“ (Strauß), Möllemann (FDP), zum neuen Bildungsminister avanciert. Möllemann hat allerdings bereits erklärt, auch weiterhin die Außenpolitik in seiner Partei prägen zu wollen. Der Zusammenhang von Außen– und Bildungspolitik sei nicht schwer herzustellen, da sich gerade die Studenten an den Hochschulen besonders für Fra gen wie Frieden und Abrüstung interessierten. Nachhaltiger als durch dezidierte politische Positionen hat sich der FDP–Abgeordnete in den letzten Jahren durch sein, allerdings erfolgloses, wirtschaftliches Engagement für das Vorbild der Zeitgeist–Magazine, Twen, sowie ihm unterstellte, aber nie bewiesene dubiose Auslandsgeschäfte ins Gespräch gebracht. Möllemann ist außerdem auch Vorsitzender der Deutsch– Arabischen Gesellschaft. Fortsetzung auf Seite 2 Kommentar auf Seite 4 Die bisherige Bildungsministerin Wilms (CDU) rotiert ins Innerdeutsche Ministerium. Dessen bisheriger Amtsinhaber, Windelen (CDU), geht ganz leer aus. Nachfolgerin von Möllemann, der bisher Staatsminister im Auswärtigen Amt war, wird die FDP– Schatzmeisterin Adam–Schwaetzer, die damit das erste weibliche FDP–Mitglied im Kabinett Kohl ist. Baum dagegen heimste sich bei der Sitzung von FDP–Bundesvorstand und FDP–Präsidium zwei erhebliche Niederlagen ein: Ihm war ein Staatsministerposten zugesichert worden. Als er dann jedoch zuerst gegen den als unprofiliert geltenden FDP–Justizminister Engelhard antrat und dabei deutlich unterlag, versagte ihm Genscher auch die Unterstützung bei der Bewerbung um den zweiten Staatsministerposten im AA: Der ging an den wenig bekannten FDP–Abgeordneten Schäfer. In Bonner Kreisen wird jetzt von einer „Demontage eines ganzen Flügels“ gesprochen. Veränderungen gibt es auch in den CSU–Ministerien: Der bisherige Entwicklungshilfeminister und Strauß–Vertraute Warnke wird Nachfolger des Bundesverkehrsministers Dollinger, der ganz aus dem Kabinett ausscheidet. Nachfolger Warnkes im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit wird der selbst in der CSU als Rechtsaußen gehandelte Klein. Neu im Bundeskanzleramt ist der CDU–Staatsminister Stavenhagen. Mit Agnes Hürland ist (CDU) erstmalig eine Frau Staatssekretärin im Bundesverteidigungsministerium.

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