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Wahl in LiberiaDame von Welt, Hölle auf Erden

Ellen Johnson Sirleaf war zwölf Jahre Präsidentin Liberias. Jetzt tritt sie ab. Zuhause wird sie kritischer gesehen als im Ausland.

International geachtet: Liberias Präsidentin Ellen Johnson Sirleaf vor der UNO am 19. September Foto: AP

Cotonou taz | Ellen Johnson Sirleaf strahlt natürliche Autorität aus und findet bei ihren Auftritten klare Worte. Der Platz in der ersten Reihe bedeutender afrikanischer Führungsgrößen ist ihr wie auf den Leib geschnitten. Im Laufe der Jahre hat Liberias Präsidentin viele Titel, Auszeichnungen und Spitznamen erhalten: erste Präsidentin Afrikas, Friedensnobelpreisträgerin, „eiserne Lady“, die sich im männerdominierten Politikgeschäft durchsetzen kann. Vor allem auf internationaler Ebene ist Ellen Johnson Sirleaf hoch angesehen.

In der Achtung vieler dürfte sie noch einmal gestiegen sein, weil die 78-Jährige nach zwölf Jahren an der Staatsspitze am heutigen Dienstag nicht mehr zur Wiederwahl steht. Per Verfassungsänderung eine dritte Amtszeit anzustreben, wie das für afrikanische Staatsoberhäupter mittlerweile eher die Regel als die Ausnahme ist, war für sie kein Thema. Liberia steht nach 170 Jahren vor dem ersten demokratischen Wechsel seiner Geschichte.

In der vergangenen Woche hat sich Johnson Sirleaf als „sehr dankbar“ bezeichnet. In Liberia tobten von 1989 bis 1996 sowie 1999 bis 2003 zwei brutale Bürgerkriege mit Hunderttausenden Toten. Während des ersten arbeitete die Harvard-Absolventin, die in Liberia schon einmal Finanzministerin gewesen war, für die UNO in den USA. Nach ihrer Rückkehr in die Heimat 1997 und einer Wahlniederlage gegen den mächtigen Warlord Charles Taylor – er ist 2012 vom Sierra-Leone-Sondertribunal in Den Haag zu 50 Jahren Haft verurteilt worden – ging sie ins Exil in die Elfenbeinküste.

Anders als etwa die Menschenrechtlerin Leymah Gbowee, die 2011 zusammen mit ihr den Friedensnobelpreis erhielt, demonstrierte Johnson Sirleaf nie deutlich und offensichtlich für das Ende des Bürgerkrieges. Stattdessen trat sie erneut zu Wahlen an, nachdem Präsident Taylor 2003 ins Exil getrieben worden war, und nachdem sie sich 2005 gegen Fußballlegende George Weah durchsetzte, gelang es ihr, dem Land Stabilität zu bringen. Das hat ihr international Achtung und Bekanntheit gebracht.

Entschuldigung vor der Wahrheitskommission

Weit weniger bekannt ist, dass sie Taylor zeitweise unterstützte. Dafür hat Johnson Sirleaf sich 2009 vor Liberias Wahrheitskommission entschuldigt. Außerhalb des Landes ist auch kaum bekannt, wie spürbar die Folgen der Kriege bis heute sind. Eine ganze Generation ist nicht zur Schule gegangen, was ein Grund ist, weshalb die Analphabetenrate bei 52,4 Prozent liegt. Gerade einmal zwei Prozent der 4,6 Millionen Menschen haben Strom. Das Jahreseinkommen liegt pro Kopf zwischen 455 und 900 US-Dollar. Laut Weltbank wurden im Jahr 2014 26 Prozent des Bruttoinlandsprodukts von der Diaspora erwirtschaftet.

Eine große Kluft liegt zwischen der Präsidentin und der Mehrheit der Bevölkerung. Sie wirkt mütterlich-streng, wie jemand, dem man sein Vertrauen schenken kann. Zahlreichen Liberianern ist sie allerdings viel zu entrückt und fern vom täglichen Überlebenskampf. Als sie 2011 den Friedensnobelpreis erhielt, war die Begeisterung darüber im Ausland größer als in ihrer Heimat.

Wie schnell es in Liberia kriseln kann, hat 2014 der Ebola-Ausbruch gezeigt. Offiziell gab es 10.675 bestätigte Fälle, 4.809 Menschen starben. Anfang August 2014 rief Johnson Sirleaf den Ausnahmezustand aus, dann wandte sie sich im September mit einem Brief an internationale Politiker, darunter Bundeskanzlerin Angela Merkel, und forderte Unterstützung. Weil sie weltweit Respekt genießt, bekam sie die auch.

Kein Erfolg beim Kampf gegen die Korruption

Doch das liberianische Gesundheitssystem galt schon vorher als marode, und zwar nicht nur wegen des Bürgerkrieges. 2013 streikten etwa 20.000 Mitarbeiter im Pflegebereich für mehr Lohn und bessere Arbeitsbedingungen. Die Weltgesundheitsorganisation WHO schätzte 2015, dass im Land lediglich 51 einheimische Ärzte arbeiten. Der Rat für Medizin und Zahnkunde ging vergangenes Jahr immerhin von knapp 300 aus. Dennoch bleibt die Abwanderung von Ärzten enorm. Darunter ist auch James Sirleaf, ein Sohn der Präsidentin, der an der Ostküste der USA als Mediziner arbeitet.

In ihren beiden Amtszeiten hat Ellen Johnson Sirleaf auch etwas anderes nicht geschafft: Sie hatte versprochen, Korruption zu bekämpfen, musste in ihrer Rede zur Lage der Nation im Januar dieses Jahres aber bekennen, dieses Ziel nicht erreicht zu haben. Vorwürfe gib es immer wieder gegen die Söhne, die in Liberia geblieben sind und allesamt hohe Ämter besetzen. Charles ist nach zwischenzeitlicher Suspendierung wieder stellvertretender Gouverneur der Zentralbank. Eine Niederlage musste Robert einstecken: Bei der Senatswahl 2014 verlor er ausgerechnet gegen George Weah, den glücklosen Gegenkandidaten seiner Mutter 2005.

Letztendlich steht Johnson Sirleaf auch für das nicht, wofür sie in Europa und den USA so populär ist. Mit ihr hatte es endlich eine Frau an die Staatsspitze geschafft. Heute ist das chancenlose Exmodel Macdella Cooper die einzige Frau unter den 20 Kandidaten für ihre Nachfolge.

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