Wahl in Guatemala: Komiker gegen die Systemkrise
Der Rücktritt des Präsidenten hat für einen ruhigen Wahltag gesorgt. Doch die politische Krise geht weiter: Gegen Kandidaten wird ermittelt.
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Er hat für ein neues Gesicht im politischen Geschäft gestimmt, für den politisch vollkommen unerfahrenen Komiker und Schauspieler Jimmy Morales. Der ist vor allem in Guatemalas Hauptstadt populär, weil er nicht für die traditionellen Strukturen steht – das bedeutet in Guatemala wie in anderen lateinamerikanischen Ländern nicht für Korruption und nicht für die typischen Seilschaften zwischen den politischen Parteien.
Gegen die sind die Guatemalteken seit Mitte April jeden Samstag auf die Straße gegangen. Mit dem Rücktritt von Präsident Otto Pérez Molina haben sie zumindest einen Teilerfolg erreicht: Der ehemalige General musste die Wahlen in U-Haft verfolgen und auch das Bündnis, welches ihm lange den Rücken stärkte, ist zerbrochen.
Seine patriotische Partei, hinter der die Armee steht, hat den Rückhalt des einflussreichen Unternehmerverbandes Cacif verloren und konkurriert nun mit dem ehemaligen Bündnispartner Líder (Libertad Democrática Renovada). Gegen dessen Kandidaten für die Vizepräsidentschaft und ein halbes Dutzend weitere Kandidaten ermittelt bereits die Cicig, die UN-Kommission gegen die Straflosigkeit in Guatemala. Das hat der Partei vor allem in den großen Städten massive Stimmeinbrüche beschert.
Lange hatte Líder und ihr Präsidentschaftskandidat Manuel Baldizón, ein im Norden Guatemalas reich gewordener Geschäftsmann und Anwalt, die Umfragen angeführt. Doch in den letzten Wochen kam der Einbruch, und den konnte auch die Präsenz von Líder auf dem Land nicht aufhalten, wo Berichten zufolge Wahlgeschenke wie ein Sack Düngemittel verteilt wurden oder dreihundert Quetzal, umgerechnet 35 Euro.
Nach Auszählung von mehr als fünfzig Prozent der Stimmen ist absehbar, dass sich Jimmy Morales und Manuel Baldizón in einer Stichwahl am 25. Oktober gegenüberstehen werden. Morales führt die Auszählung mit 26,5 Prozent der Stimmen an, gefolgt von Baldizón mit knapp 18 Prozent. Allerdings beträgt der Abstand zwischen Líder und der sozialdemokratisch orientierten UNE nur einen Prozentpunkt, so dass die Drittplatzierte, Sandra Torres, es noch in die Stichwahl schaffen könnte.
Positiv strich das nationale Wahlgericht die Wahlbeteiligung von rund 78 Prozent heraus – angesichts der Glaubwürdigkeitskrise der Politik ein beachtlicher Wert. Allerdings wählten knapp vier Prozent der Wähler ungültig und etwa 4,5 Prozent der Stimmberechtigten gaben einen weißen Stimmzettel ab.
Besonders hoch war die Zahl der Protestwähler in der Hauptstadt Guatemala-Stadt, wo sich in den letzten Monaten des Protests viele Gruppen gebildet haben, die auf Reformen drängen. „Business as usual wird es nicht geben, denn eine Reform der Wahlgesetze, die Korruption zu wenig ahnden und den Wechsel von einer zur anderen Partei tolerieren, ist eine zentrale Forderung“, so der Filmemacher Sergio Valdés Pedroni.
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