Wahl in Griechenland: Hoffen auf stabile Verhältnisse
Die Euroretter sind über den Sieg der Konservativen in Athen erleichtert. Doch die Bewährungsprobe für die Rettungsmaßnahmen steht noch aus.
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BRÜSSEL taz | Alles außer Alexis Tsipras. Das war das Motto der EU-Politiker vor der „Schicksalswahl“ in Griechenland. Nun macht sich in Brüssel Erleichterung breit, dass der Führer der radikalen Linken es nicht geschafft hat.
Bei der Wahl am Sonntag war Tsipras nur auf den zweiten Platz gekommen. „Das Schlimmste ist uns erspart geblieben“, sagt etwa der liberale Europapolitiker Jorgo Chatzimarkakis. Das Horror-Szenario eines griechischen Euro-Austritts sei „zumindest für sechs Monate vom Tisch“.
Doch rechte Freude will auch nicht aufkommen. Denn nun muss die EU ausgerechnet mit Antonis Samaras verhandeln – dem Mann, der sich noch vor sechs Monaten weigerte, auf den vor allem von Deutschland geforderten harten Sparkurs einzuschwenken. An seiner Sturheit haben sich schon Ex-Premier Papandreou und Bundeskanzlerin Merkel die Zähne ausgebissen. Nun soll Samaras die neue Regierung bilden, die ein weiteres, noch härteres Spardiktat umsetzen muss.
Begeisterung klingt anders
Ob das klappt, ist alles andere als sicher. Und so verlegen sich die EU-Chefs auf ebenso grundsätzliche wie vage Kommentare. „Wir hoffen, das die Wahlergebnisse rasch die Bildung einer Regierung erlauben“, erklärten EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy und EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso.
Merkel begrüßte das gute Abschneiden der CDU-Schwesterpartei, mahnte aber zugleich die Einhaltung der "europäischen Verpflichtungen" an. Ähnlich äußerte sich Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD). Der Grundton ist verhalten, Begeisterung klingt anders.
Die Brüsseler EU-Spitzen hatten sich auch in den letzten Tagen mit öffentlichen Äußerungen zurückgehalten. Aus Brüsseler Sicht geht es nämlich nicht nur darum, dass die „richtige“ Partei gewinnt – sondern auch darum, dass sie schnell eine handlungsfähige Regierung bildet. Denn Europa läuft die Zeit davon.
Nach den ursprünglichen Planungen sollte Athen noch im Juni ein neues milliardenschweres Sparprogramm abnicken. Die nächste Hürde kommt schon am 20. Juli, wenn der der griechischen Regierung ohne neue Hilfen das Geld ausgeht.
In Gedanken in Rom und Madrid
Eine tage- oder gar wochenlange Zitterpartie mit zähen Koalitionsverhandungen kann sich Griechenland aus EU-Sicht nicht leisten. Dabei denken die Euro-Retter nicht nur an Athen, sondern auch an Madrid und Rom.
Spanien und Italien stehen derzeit unter massivem Druck der Finanzmärkte, der nicht zuletzt durch die Krise in Griechenland angetrieben wird. Die Zinsen für spanische und italienische Staatsanleihen sind in den letzten Tagen so hoch gestiegen, dass sie für die Regierungen zum Problem werden. Wenn das so weiter geht, muss Spanien ein neues Hilfsprogramm beantragen, auch Italien gilt nicht mehr als sicher.
Eine weitere Sorge der EU gilt den Banken. Sollten die Bankkunden in Griechenland heute und in den nächsten Tagen massiv Geld von ihren Konten abheben, könnte dies noch schlimmere Folgen haben als ein politisches Chaos in Athen. Bisher ist die EU nämlich noch nicht gegen einen „Bankenrun“ in Griechenland oder in den anderen Krisenländern gewappnet. Wenn alle gleichzeitig ihre Konten plündern, bricht der Euro zusammen – trotz der glimpflich verlaufenen Wahl in Griechenland.
Kommissionschef Barroso will beim EU-Gipfel Ende Juni zwar eine Bankenunion mit gemeinsamer Haftung vorschlagen. Doch bisher ist Deutschland dagegen. Aisgerechnet Merkel blockiert die derzeit wichtigste Euro-Reform. Und selbst wenn Berlin sein Veto zurückziehen sollte, könnte die Bankenunion frühesten 2013 in Kraft treten. Griechenland wäre damit also nicht mehr geholfen.
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