Wahl in Australien: Großparteien folgen der Kohlelobby
Premier Malcolm Turnbull ist vor der Wahl weiter nach rechts gerückt. Er hat die Positionen des von ihm selbst gestürzten Vorgängers übernommen.
Umgerechnet 33,4 Milliarden Euro will Turnbull Unternehmen im Falle seiner Wiederwahl schenken. Doch seine Erklärung, „weniger Steuern für Unternehmen schaffen Arbeitsplätze und Wohlstand für alle“, kommt zumindest hier nicht an.
Es sind vor allem wirtschaftliche Argumente, welche die AustralierInnen überzeugen sollen, die seit 2013 regierende Koalition aus Liberalen und Nationaler Partei wieder zu wählen. Das sei gerade nach dem Brexit-Referendum der Briten entscheidend für einen guten Konjunkturverlauf, so Turnbull.
Dank des Rohstoffbooms erlebte Australien ein Vierteljahrhundert wirtschaftliches Wachstum und niedrige Arbeitslosigkeit. Doch als China vor zwei Jahren begann, weniger Kohle und Eisenerz zu kaufen, machten Minen dicht und Kumpel verloren den Job. Mit den Rohstoffpreisen brachen die Steuereinnahmen ein, die zwei Jahrzehnte die Staatskassen gefüllt hatten.
Der Kapitän in schwerer See
Nur ein „klar denkender Kapitän“ wie er könne das Schiff Australien durch die schwere See führen, behauptet der frühere Investmentbanker, Staranwalt und Multimillionär Turnbull.
Sein Widersacher, der 49-jährige ehemalige Gewerkschaftsführer Bill Shorten von der sozialdemokratischen Labor-Partei, verspricht vor allem soziale Sicherheit. Dem staatlichen Gesundheitssystem Medicare drohe unter Turnbull die Privatisierung, warnt er. Auch die Ausblutung des öffentlichen Schulsystems zugunsten privater und religiöser Institutionen werde mit den Konservativen weitergehen.
Der Jurist Shorten schielte schon als Kind auf den Posten des Premiers. Doch wirkt er hölzern. Turnbull dagegen macht in seinem 1-000-Euro-Anzug selbst erkältet noch eine gute Figur.
Doch kann er nicht darüber hinwegtäuschen, dass er heute ein anderer Mensch zu sein scheint als noch vor neun Monaten. Damals hatte er in einem parteiinternen Machtkampf den unbeliebt gewordenen Premierminister Tony Abbott gestürzt.
Turnbull galt mal sozial fortschrittlich
Dessen Politik war so extrem konservativ geworden, dass er die Regierungsmacht der Liberalen zu gefährden begann. Turnbull dagegen galt als wirtschaftlich liberal und sozial fortschrittlich.
Doch der Enthusiasmus ist verflogen. Turnbull hat längst Abbotts Politik adoptiert. Die von internationalen Organisationen als „inhuman“ kritisierte Internierung von Asylsuchenden auf abgelegenen Pazifikinseln führt er unbeirrt weiter – trotz Selbstverbrennungen und Suizidversuchen, sogar von Kindern.
War er früher ein vehementer Verfechter des Klimaschutzes, steht Turnbull heute hinter dem Ausbau der Kohleindustrie. Dass Berichten zufolge das Barrier Riff wegen höherer Wassertemperaturen schon in wenigen Jahrzehnten tot sein könnte, verdrängt er.
Tony Abbotts langer Arm?
Kritiker sehen dahinter den langen Arm seines Vorgängers. Kommentatoren wie die der unabhängige Nachrichten-Webseite AIM warnen, die alte Garde unter Abbott könnte zurückkehren.
Doch jede Kritik an der Kohleindustrie, die pro Jahr bis zu 25 Milliarden Euro Exporteinnahmen bringt, wäre politischer Suizid: Nur die Grünen, die auch jetzt mit etwa 10 Prozent der Stimmen rechnen können, bringen das Thema auf die Agenda.
Sie haben nichts zu verlieren: Australiens vom konservativen Amerikaner Rupert Murdoch dominierte Medien beschimpfen sie ohnehin als „grüne Teufel“ und „Totengräber“ der Wirtschaft. Doch auch Shorten ist fast täglich Ziel der Boulevard-Propaganda.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!