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Wahl in ArgentinienKirchners Siegestänzchen

Rock on: Christina Kirchner bleibt Präsidentin Argentiniens. Sie erzielte das beste Ergebnis eines Kandidaten seit der Rückkehr des Landes zur Demokratie 1983.

Siegerlächeln, Siegeszeichen: Christina Kirchner. Bild: reuters

BUENOS AIRES taz | Am Ende rockte sie über die Bühne. "Ich bin die erste wiedergewählte Frau", rief Cristina Kirchner. Mit mehreren zehntausend Anhängern tanzte Cristina Kirchner am Sonntagabend auf der Plaza de Mayo die Wiederwahl. Ihr Sieg stand unmittelbar nach Schließung der Wahllokale fest. Nur die Höhe war ein Fragezeichen.

Nach der Auszählung von 70 Prozent der Stimmen erreichte die 58-jährige Mitte-Links-Politikerin knapp 54 Prozent. Damit erzielte sie das beste Ergebnis eines Präsidentschaftskandidaten seit der Rückkehr Argentiniens zur Demokratie im Jahr 1983.

Auf dem zweiten Platz landete überraschend aber weit abgeschlagen der sozialistische Kandidat Hermes Binner (68) mit 17 Prozent der Stimmen. Der Kandidat der sozialdemokratischen Radikalen Bürgerunion und Sohn des früheren Präsidenten Raúl Alfonsín, Ricardo Alfonsín (59), kam mit 11 Prozent lediglich auf den dritten Platz.

Freude und Trauer prägten Cristina Kirchners Auftritte am Wahlabend. Freude, weil ihr weit über die Hälfte der Stimmberechtigten zum Sieg verholfen haben. Trauer weil sich am 27. Oktober der Tod ihres Mannes Néstor Kirchner zum ersten Mal jährt. ."Sin EL", ohne ihn stünde sie jetzt nicht hier, sagt sie. Dennoch: Cristina Kirchner ist endgültig aus dem Schatten ihres Mannes herausgetreten.

Regierungspartei gewinnt Senat zurück

Am Sonntag stimmen die knapp 29 Millionen Wahlberechtigten Argentinier auch über 130 Mandate im Abgeordnetenhaus und ein Drittel der Senatssitze ab. Ersten Hochrechnungen zufolge wird die Regierungspartei von Cristina Kirchners in beiden Häusern die Mehrheit zurückerobern, die sie bei den letzten Teilwahlen 2009 noch eingebüßt hatte. Trotz Wahlpflicht lag die Beteiligung unter 75 Prozent.

Noch vor einem Jahr hatte die politische Zukunft für die Präsidentin anders ausgesehen. Néstor Kirchner hatte im Hintergrund die Fäden gezogen und mit seiner polarisierenden Art die Ober- und Mittelschicht gegen die Regierung aufgebracht. Fünf Tage nach dem plötzlichen Tod von Néstor wandte sich Präsidentin erstmals an die Bevölkerung. "Es ist der größte Schmerz, in meinem bisherigen Leben", sagte die mit den Tränen kämpfende Präsidentin in der live ausgestrahlten Fernsehübertragung. Das Bild, der um Fassung ringenden Witwe, war der Beginn der Versöhnung mit jenem Teil der argentinischen Bevölkerung, der sich von ihrem polarisierenden Mann und ihr abgewandt hatte, und der am vergangenen Sonntag dafür sorgte, das ihr die Wiederwahl mit rund 55 Prozent der Stimmen im ersten Wahlgang gelang.

Cristina Kirchners politischer Werdegang ist eng mit dem verstorbenen Néstor Kirchner verknüpft. Als dieser Bürgermeister in Río Gallegos, der Hauptstadt der Provinz Santa Cruz war, leitete sie den Planungsrat der Stadt. Später wurde sie Abgeordnete im Provinzparlament von Santa Cruz, während ihr Mann zum Gouverneur von Santa Cruz gewählt wurde. 1995 wurde Cristina Kirchner Senatorin von Santa Cruz, 2005 Senatorin der Provinz Buenos Aires.

Im Oktober 2007 trat Cristina Kirchner als Präsidentschaftskandidatin erstmals bei einer Wahl für ein Exekutivamt an. Ihr Erfolg im ersten Wahlgang machte sie zur ersten gewählte Präsidentin Argentiniens und weltweit zur ersten Frau, die ihrem Mann durch demokratische Wahlen im Amt nachfolgt.

Keine Feministin

Die erste Frau im argentinischen Präsidentenamt ist sie jedoch nicht: Nach dem Tod von Juan Domingo Perón 1974 war seine Witwe Isabel als Staatschefin vereidigt worden. Zwei Jahre später wurde sie vom Militär gestürzt. "Ich fühle mich zweifach verantwortlich, nicht nur als Politikerin, sondern auch als Frau", sagte sie damals.

Eine Feministin ist Cristina Kirchner nicht. Ihr Frausein unterstreicht die stets kräftig geschminkte Politikerin mit modisch eleganter, die Taille betonender Designergarderobe. Einen derart männlich wirkenden Hosenanzug wie ihn Angela Merkel trägt, würde Cristina Kirchner niemals tragen. Und wer bei ihrem Staatsbesuch bei Angela Merkel auf die Füße der beiden Staatsoberhäupter schaute, dem wird neben dem flachen Schuhwerk der Deutschen Cristinas Vorliebe für High Heels nicht entgangen sein.

Den ihr nachgesagten Hang zum Glamour bestätigte sie noch vor wenigen Wochen in Paris, als sie beim Shoppen rund 80.000 Euro in 20 Paar Schuhe anlegte. "Ich muss mich doch nicht als Arme verkleiden, um eine gute Politikerin zu sein", sagte sie einmal. In Argentinien regt sich kaum jemand über ihre Extravaganzen auf. Wie auch jede Kritik ihren finanziellen Verhältnissen von der Kirchner-Familie abprallt. Da politische Mandatsträger in Argentinien ihre Besitzverhältnisse offen legen müssen, ist es kein Geheimnis, dass seit Néstors Amtsantritt im Jahr 2003 das Vermögen der Kirchners um 928 Prozent auf umgerechnet rund 11,5 Millionen Euro gestiegen ist.

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8 Kommentare

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  • S
    Sebas

    Der Artikel hätte so auch in der Welt stehen können, nicht ein Komma bräuchte man dafür zu ändern. Die Kommentare der anderen Leser zeigen, dass wir alle mehr erwartet haben. Jürgen Vogt, Sie arbeiten für das falsche Blatt. Und wenn Sie über Frau Kirchner nur schreiben, nachdem Sie Artikel aus argentinischen Tageszeitungen gelesen haben, dann lesen Sie bitte ausser Clarín, Perfil und La Nación auch noch Página/12 und Tiempo Argentino, und hören Sie ein bisschen Radio, z. B. Victor Hugo Morales. Dann werden Sie besser verstehen was in Argentinien geschieht, und werden uns deutschen Lesern es auch besser erklären können. ¡Estoy indignado!

  • PR
    Pablo Rosso

    Es ist UNGLAUBiCH die Oberflächlichkeit dieser Analyse.

    Ist Jürgen Vogt ein Politikjournalist, oder ein Modejournalist?

    Hat er nichst über Wirtschaft-, Menschenrechte-, Gleichberechtigung-, Frauenrechte-, Industrie-, Wissenchafts- zustand unter der aktuell Regierung in Argentinien zu sagen?

  • CB
    claudia baricco

    Wann wird die taz endlich mal einen guten Lateinamerika-Korrespondent haben, der z.B. über die jetzige Lage in Argentinen informiert statt einfach Presse-Arbeit für eine dekadente Opposition, die das Land nur zerstört und geplündert hat zu machen? Übler Artikel, der die wirklichen Gründe dieses Wahlsieges absichtlich nicht analysiert. Europa steckt tief in der Finanzkrise, Argentinien hat sie längst überwunden und wächst. Und baut den Sozialstaat aus.

  • PF
    Pablo Fontana

    Cristina ist keine Feministin, weil sie Röcke und hohe Schuhe trägt? Und Merkel ja, weil sie Hosen trägt? Muss eine Frau Hosen tragen, um ernsthafte Politik zu machen? Das ist versteckter und unbewusster Machismus. Bitte lesen Sie, wie viele Frauen Cristina in die Regierung gebracht hat, besonders in das Verteidigungsministerium, und informieren Sie sich über ihre Engagement für die Rechte der Homosexuellen. Was bedeutet "keine Feministin" - ist ihre Politik machistisch oder unterliegt sie der konservativen Geschlechtsvorstellung? Die Art sich zu kleiden ist die eine Sache - die Art Politik zu machen eine andere.

  • AW
    Axel Weinstein

    Ich glaube, dass in dieser Wahl mit blankem Populismus gearbeitet wurde. Vielleicht waren die anderen Kandidaten noch abschreckender als es darauf ankommen zu lassen, mit Frau Kirchner weiter zu leben... Das tolle Wahlergebnis gibt Christina viel zu viel Macht in die Hand und verheißt nichts Gutes für die Bevölkerung. Kleine Gruppen und mafiöse Strukturen werden profitieren und Otto-Normalverbraucher schaut in die Röhre. Man beschäftige sich nur mit dem Niedergang des argentinischen (staatlichen) Schulsystems in den letzten Jahren und dem skandalösen Ruin vieler Mittelstandsfamilien.

  • RD
    Ruth Dinslage

    Unter Cristina Fernandez de Kirchner wurde die Verteidigung der Menschenrechte zur Staatspolitik, der Sozialstaat ausgebaut und vieles mehr. Hierher kommen die 54% Stimmen, nicht vom Outfit von CFK. Die Welt kann auch ohne einen sterilen, rein formalen Femminismus leben. Uebler Artikel!

  • X
    xxy

    eine feministin ist sie nicht...

    weil sie high heals und keine hosenanzüge trägt? was hat das denn mit feminismus zu tun? lässt sich kirchners feministische oder eben nicht feministische positionierung nicht eher an politischen äußerungen, kommentierungen und maßnahmen ablesen?

  • MN
    Mein Name

    Ich habe diesen Artikel eigentlich geöffnet um zu erfahren, mit welchen Inhalten und Zielen sie zum zweiten mal die Wahlen gewinnen konnte. Oder ging es tatsächlich nur um Glamour und finanziellen Einfluß?