: Wahl im Wohnzimmer
■ Diesseits der Glotze: Politischer Einakter aus einem Hamburger Haushalt / Erste und einzige Aufführung vom Dienstagabend / Beobachtet von Uli Exner
Ein Eimsbütteler Wohnzimmer am Dienstagabend gegen 21 Uhr. Vor dem Fernseher versammelt sind die Wählerinnen B. und C. sowie der Wähler F. Alle drei haben studiert, ein gewisses politisches Interesse darf vorausgesetzt werden. Es beginnt soeben die Sendung „Hamburg vor der Wahl“. Darin agieren die Herren Voscherau (SPD) und Fischer (CDU), die Damen Sager (GAL) und Wild (FDP) sowie verschiedene Journalisten. Es erklingt die Erkennungsmelodie, die Kamera erfaßt die Spitzenkandidaten.
B.: Schon wieder diese langweilige Musik.
F.: Schalt doch mal um ... oh, guck mal, den hamse aber schön geschminkt.
C.: Warum grinst der Voscherau so blöd?
B.: Fischer redet ja so staatsmännisch.
C.: Guck mal, die Sager. Plinkert die immer so?
Das Telefon klingelt. C. ab. Der Moderator befragt die Kandidaten und Kandidatinnen zum Thema Rechtradikalismus.
Wild: Ja, wir müssen unbedingt etwas tun.
F.(schlägt sich auf die Schenkel): Ist die schlecht.
B.: Hat die eigentlich promoviert?
C. (kehrt mit Telefon zurück): Schönen Gruß von Mutti.
B.: Die Sager ist echt gut.
C.: Voscherau ist auch nicht schlecht, wie so'n Musterknabe.
Voscherau: ... anders als Herr Fischer vorhin zu insinuieren versucht hat ...
F.: Insinuieren???? Was heißt das denn.
Wild: Ich glaube, wir müssen alle was machen.
B.: Soll ich mal Zigaretten holen?
Themenwechsel zum Wohnungsbau. Fischer setzt zum länglichen Statement an.
B.: Guck mal, jetzt geht das eine Auge auch auf.
C.: Abpfiff, eine Minute ist um.
F.: Wollen wir abschalten?
B.: Och, der Voscherau. Manchmal ist er doch ganz süß.
C.: Warum klappt die immer so mit den Augen?
Drogenpolitik: Fischer setzt zum Statement an.
F.: Dem nehme ich den Alkohol weg.
C.: Dann macht er beide Augen zu.
B.: Ist das eigentlich die Gefühlshälfte, in der er das geschlossene Auge hat.
C.: Nee, das ist die linke.
B.: Aber das wird von der rechten Gehirnhälfte gesteuert.
F.: ?????
C.: Die linke Seite des Gesichts ist die Gefühlshälfte ....
B.: ... und die wird von der rechten Gehirnhälfte dominiert.
Es klingelt. Das Zimmer betritt K. aus Bochum-Wattenscheid. Er ist zu Besuch in Hamburg.
Moderator: Ich höre gerade, daß sich Zuschauer aus Nordrhein-Westfalen beschweren, daß wir sie nicht begrüßt haben. Die können uns über Satellit empfangen. Wir begrüßen ...
K.: Danke schön. Wer isn das?
B.: Dirk Fischer, CDU ...
K.: Muß man sich den merken?
F.: Nö.
C.: Hmm, Frau Wild sieht aber eher angepaßt aus.
C.: Reine Projektion.
K.: Aber der Spruch ist gut.
B.: Will jemand Schokolade?
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