Waffenstillstand in Georgien greift nicht: Die Russen sind immer noch da
Trotz angekündigten Abzugs der Soldaten gibt es in Gori, Poti und Sugdidi russisches Militär. Von Explosionen wird berichtet. Unterdessen verschlechtert sich die Beziehung zwischen Russland und den USA.
MOSKAU/TIFLIS/GORI ap/dpa/afp Entgegen der Waffenstillstandsvereinbarung für Georgien ist der russische Truppenabzug wiederholt ins Stocken geraten. Nach ersten Berichten der georgischen Regierung, wonach der Rückzug aus Gori gestern früh begann, hieß es kurz darauf, russische Einheiten rückten wieder in die Stadt ein. Im Umkreis waren mindestens fünf Explosionen zu hören. Dass russische Truppen in die Hafenstadt Poti zurückkehrten, bestätigte der Generalstab in Moskau. Die russische Friedenstruppe habe das Recht, in Poti zu sein, erklärte Vizegeneralstabschef Anatoli Nogowizyn. Aus der Stadt Senaki vor der Grenze zum abtrünnigen Gebiet Abchasien berichtete der georgische Rundfunk, dass russische Verbände georgische Munitionslager ausräumten.
Russische Militärfahrzeuge wurden auch vor der westgeorgischen Stadt Sugdidi gesehen. Ein Reuters-Fotograf beobachtete etwa 100 Fahrzeuge, darunter zahlreiche Panzer, etwa zwei Kilometer von Zentrum der Stadt im Küstengebiet des Schwarzen Meeres entfernt.
Der russische Außenminister Sergei Lawrow sorgte mit Bemerkungen über Georgiens territoriale Integrität für Aufregung. "Das Gerede über die territoriale Unversehrtheit Georgiens kann man vergessen", sagte Lawrow in Moskau. "Es ist meiner Ansicht nach unmöglich, Südossetien und Abchasien zu überreden, der Logik zuzustimmen, dass sie in den georgischen Staat zurückgezwungen werden könnten." Zugleich empfing der russische Präsident Dmitri Medwedjew die Führer der beiden separatistischen Regionen Abchasiens und Südossetiens im Kreml und sprach ihnen die volle Unterstützung Moskaus zu.
Angesichts des Konflikts wird das Verhältnis zwischen den USA und Russland immer frostiger. US-Präsident George W. Bush verschob einen geplanten Urlaub und schickte Militärflugzeuge nach Georgien, die Hilfsgüter bringen sollen. An Bord von zwei Transportmaschinen der US-Luftwaffe trafen gestern Feldbetten, Decken und Medikamente für Flüchtlinge in Tiflis ein. Zugleich stellte sich Bush hinter die Regierung in Tiflis: "Zum Schutz eines freien Georgiens" würden die USA die "freie Welt hinter sich versammeln". Russland warnte die USA vor einer einseitigen Unterstützung Georgiens.
Um Bushs Argumente zu unterstreichen, wurde US-Außenministerin Condoleezza Rice nach Frankreich und Georgien entsandt. Sie traf gestern in Paris ein, wo sie Gespräche mit Präsident Nicolas Sarkozy und Außenminister Bernard Kouchner führte. Am Freitag wird sie in Tiflis erwartet. Russland habe die Zeit des Kalten Krieges offenbar noch nicht hinter sich gelassen, sagte Rice. Sie warnte Moskau vor einer "vertieften Isolation", sollte Moskau den Waffenstillstand in der Region weiter verletzten. "Es ist Zeit für eine neue Ära, in der sich die Beziehungen zwischen Staaten auf Gleichheit, Souveränität und wirtschaftliche Integration gründen", erklärte Rice.
Vor der UN-Abrüstungskonferenz in Genf machten sich Russland und Georgien gegenseitig schwere Vorwürfe. Georgien habe Russland "gravierende Verstöße gegen das internationale humanitäre Völkerrecht" vorgehalten, teilte das Beratungsgremium der UN nach Abschluss seiner Sitzung am Donnerstag mit. Im Gegenzug habe Russland Georgien der "ethnischen Säuberung" und des Völkermords bezichtigt. Frankreich kündigte unterdessen an, seinen Sechspunkteplan für ein Ende der Feindseligkeiten in Georgien noch vor Ende dieser Woche dem UN-Sicherheitsrat vorzulegen. Die Details würden noch ausgearbeitet, hieß es in New York. Der Resolutionsentwurf basiere auf dem Waffenstillstand, den Sarkozy zwischen Russland und Georgien vermittelt habe.
Das georgische Parlament beschloss gestern einstimmig den Austritt des Landes aus der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS), dem Zusammenschluss von zwölf Teilrepubliken der ehemaligen UdSSR.
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