„Waffen für El Salvador“

Die taz beendete am Wochenende eine Spendenkampagne, die sie vor über elf Jahren begonnen hatte. 4.737.755,10 DM wurden insgesamt für die Guerilla El Salvadors gesammelt. Das letzte Geld wurde jetzt in Mexiko der FMLN übergeben, die vor kurzem einen Waffenstillstand mit El Salvadors Regierung schloß.  ■ EINDOSSIERDERTAZ

Nach dem Friedensabkommen, das Regierung und Befreiungsbewegung FMLN von El Salvador am Donnerstag in Mexiko unterzeichneten, übergab ein Vertreter der taz am Wochenende der Guerilla des mittelamerikanischen Landes 88.000 Mark. Es waren die letzten Gelder, die auf einem Konto noch eingetroffen waren, das die taz 1979 unter dem Stichwort „Waffen für El Salvador“ eingerichtet hat und das nun aufgelöst wird. Der Vorstand des Vereins „Freunde der alternativen Tageszeitung e.V.“, des noch alleinigen Inhabers der taz, hat beschlossen: die Sammlung wird eingestellt. Der Kampf mit den Waffen ist endlich und glücklicherweise zuende.

Gemessen an der Summe der gesammelten Gelder war die taz- Sammlung ganz zweifellos ein großer Erfolg. Am 3.November 1980 war die taz nach langer und kontroverser Diskussion mit der Schlagzeile auf der ersten Seite „Aufruf: Waffen für El Salvador“ erschienen. Schon zwei Wochen danach waren 10.000 Dollar auf dem Konto, nach zwei Monaten schon 200.000 Dollar, und ein Jahr später eine Million Dollar. Die gespendeten D-Mark- Gelder wurden in Dollar umgetauscht und durch Beauftragte der taz wurden die Notenbündel an den Zusammenschluß der Befreiungsbewegungen (FMLN) in El Salvador direkt übergeben. 1983 wurde einmal ein Scheck benutzt — und ging verloren. Die FMLN hatte ihr Konto überstürzt auflösen müssen. Der Scheck über 22.000 Dollar war und blieb weg. Doch wurde das Geld nie abgebucht und konnte beim nächsten Mal übergeben werden. Als ein anderes Mal der taz ein Beleg für abgelieferte Gelder fehlte, stellte sich nach einigen Recherchen heraus, daß das Geld irrtümlich als Spende aus der DDR verbucht worden war. Der Irrtum wurde korrigiert. Die Kosten für das Überbringen der Dollar wurde überwiegend aus Zinserlösen finanziert. 99,9 Prozent der eingegangenen Gelder konnten somit ausgezahlt werden. Inzwischen sind es 4.737.755,10 Mark geworden.

Von Anfang an ging es nicht nur um Geld. Mit dem Aufruf „Waffen für El Salvador“ wollte die taz auch politisch Flagge zeigen. Sie wollte zur Diskussion und Entscheidung für oder gegen bewaffnete Befreiungsbewegungen in Mittelamerika anregen.

In Nicaragua hatte die Befreiungsbewegung gerade gesiegt. Die Sandinisten waren an der Macht. In El Salvador setzten die traditionellen Machthaber des Landes alles daran, eine solche Entwicklung zu verhindern. Militär und Todesschwadrone führten, ausgehalten von den USA, ein Schreckensregiment. Erzbischof Romero war vor dem Altar in der Kathedrale San Salvadors von einem Killerkommando während der Messe ermordet worden. Tausende von Bauern, Gewerkschaftern und Oppositionellen wurden brutal umgebracht. Zehntausende waren auf der Flucht.

Die taz hatte seit ihrer ersten Ausgabe im April 1979 den Befreiungskampf in Mittelamerika durch engagierte und ausführliche Berichterstattung begleitet. Angesichts der Situation in El Salvador entschied sich eine große Mehrheit in der taz im November 1979 dafür, mit dem Aufruf zur Geldsammlung für Waffen den Kampf der Guerilla zu unterstützen. Von Anfang an wurde den Befürwortern der Sammlung Revolutionsromantik und eine blauäugige kritiklose Unterstützung der Guerilla vorgeworfen. Aber bereits im Aufruf vom 3.November 1980 stand: „Auch das Scheitern und die Perversion von Befreiungsbewegungen und Revolutionen muß die Linke kritisch diskutieren. Aber: Wer in Deutschland im Warmen sitzt und sagt: ,Wer gibt mir die Garantie, daß die salvadorianische Revolution nicht ebenso im bürokratischen Sozialismus oder weiterem Blutvergießen endet wie andere auch?‘ muß sich den Vorwurf gefallen lassen, das Recht auf Selbstbestimmung zu mißachten.“

So wurde der Aufruf auch von vielen Spendern verstanden und mitgetragen. In Schulen und Universitäten, in Partei und Kirchen, in Stadtteil- und Solidaritätsgruppen war der Aufruf Anlaß zu heftigen Diskussionen. Viele Zehntausende haben im Laufe der Jahre Geld für diese Sammlung gegeben. Es gab die Einzelspende einer ganzen Erbschaft von mehreren hunderttausend Mark und die der einen Mark in die Soli- Sammelbüchse in der Szenekneipe. Unter den Spendern sind Pfarrer, Lehrer, Ärzte, Professoren, Studenten, Arbeitslose und Schriftsteller, sogar ein Dichter. Geld gegeben haben Politiker, denen es keiner zugetraut hätte, und solche, die sicher heute sehr ungern daran erinnert würden. Für viele war die Spende gerade für diese Sammlung auch ein politisches Bekenntnis, vielleicht sogar eine Art Ablaßzahlung für verratene Revolutionsträume. Als im April 1983 die Nummer zwei der FPL, einer der Guerillagruppen in El Salvador, Ana Maria, von den eigenen Leuten ermordet wurde und danach der Führer der Organisation, Cayetano Carpio, der den Mord möglicherweise in Auftrag gegeben hatte, Selbstmord beging, wurde die Fortsetzung der Sammlung in der taz vorübergehend in Frage gestellt. Doch die Sammlung ging weiter.

1988 forderten Soligruppen von der taz, das Konto abzugeben, weil sich die taz „zu sozialdemokratischen Befriedungsmodellen bekannt“ habe. Dies wurde vom Plenum des taz-Vereins nach langer Diskussion anbgelehnt. Die taz behielt das Konto. In den letzten Jahren und Monaten gab es immer wieder Anstöße aus der taz, das Konto aufzulösen oder wenigstens für andere Zwecke umzuwidmen. Ein „Waffenkonto“ passe nicht mehr in die veränderte politische Landschaft. Mit dem Friedensabkommen von Mexiko ist es nun endgültig obsolet.

Ob die in der BRD gesammelten Millionen zum Überleben der Befreiungsbewegungen und zum Zustandekommen der Friedensvereinbarungen beigetragen oder ob sie zu zusätzlichem Blutvergießen geführt haben; ob und inwieweit die Gelder dem Volk in El Salvador genutzt oder geschadet haben — darüber wird weiter gestritten werden. Die Guerillaführer hatten schon bald nach der ersten Geldübergabe erklärt: „Für den Erwerb von Waffen wird das Geld am wenigsten benötigt. Die Waffen holen wir von den Soldaten der Armee. Die Unterstützung, die das deutsche Volk uns mit der Kampagne verschafft, ist für uns und den Erfolg unseres Kampfes gleichwohl unentbehrlich.“

Der Rest des Geldes wurde nun der FMLN übergeben. Die Sammlung ist damit beendet. taz