■ Krise auf dem Bau: Wackliger Frieden
Keine Grundsteinlegung vergeht in der Baustadt Berlin, bei der Eberhard Diepgen nicht die Benachteiligung der einheimischen Baufirmen beklagt. In der Tat sind die Wettbewerbsnachteile für kleine und mittelständische Baufirmen aus der Region gegenüber den international tätigen General- und Subunternehmern überdeutlich. Ein Entsendegesetz mit einem dem regionalen Tariflohn angepaßten Mindesteinkommen ist deshalb zwar kein Königsweg aus dem Konflikt, aber ein erster Schritt.
Gleichwohl verweist die derzeitige Diskussion um die Krise der mittelständischen Baufirmen auch auf die Doppelmoral des Senats. Wo die Politiker als Anwälte der hiesigen Wirtschaft agieren, sind sie mit Versprechen schnell zur Hand. Erst in der letzten Woche hat Wirtschaftssenator und CDU-Mittelstandslobbyist Elmar Pieroth den Kleinen der Branche — trotz der leeren Kassen — Liquiditätshilfen zugesagt. Die Demonstrationen der Baufirmen haben ihre Wirkung nicht verfehlt.
Wo der Senat dagegen als Auftraggeber auftritt, handelt er oft kaum anders als die Bauriesen. Zwar hat sich das Land verpflichtet, Aufträge nur noch an tarifgebundene Firmen zu vergeben. Doch in der Praxis bekommen nach wie vor auch Billigbieter den Zuschlag. Selbst die Richtlinien der Vergabeordnung für öffentliche Bauaufträge, derzufolge Bauarbeiten in kleinen Abschnitten vergeben werden sollen, werden selten eingehalten. Den Zuschlag bekommen statt dessen Generalübernehmer, die ihrerseits wieder Subunternehmer beauftragen. Die kleinen und mittelständischen Firmen bleiben auf der Strecke, der Senat konterkariert die eigene Politik.
Die Gewinner sind damit einmal mehr die großen Baufirmen und jene Subunternehmen, die bereits einen regelrechten Menschenhandel mit den Billiglohnarbeitern aus den europäischen Armenhäusern organisiert haben. Gerade am Strukturwandel der Baubranche wird das Dilemma der Internationalisierung besonders deutlich. Was für die einen billig ist, ist für die andern noch lange nicht recht. Noch hat dieses Dilemma keine sichtbaren Folgen gezeigt. Sollte der Mindestlohn für Bauarbeiter aber an der Blockade der Bauindustrie scheitern, wird es mit dem sozialen Frieden auf den Berliner Baustellen wohl zu Ende sein. Uwe Rada
Siehe Hintergrundbericht Seite 23
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