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■ Huf-TrittWachwechsel im Pferdestall

Paul Schockemöhles monopolistische Vormachtstellung im deutschen Reitsport ist dahin: Sowohl Otto Becker als auch Franke Sloothaak, einer der begnadetsten Reiter der Welt, verlassen ihren Herrn.

Jahrzehntelang liefen alle Fäden in Schockemöhles Stall in Mühlen zusammen: die besten Pferde, die besten Reiter, die besten Verbindungen. Zeitweise stellten seine Angestellten die Nationalmannschaft; Bundestrainer Herbert Meyer, ein enger Freund Schockemöhles, war mehr in Mühlen als in der Zentrale der „Deutschen Reiterlichen Vereinigung“ in Warendorf. Tatsächlich war der behäbige Verband durch Schockemöhles Vormachtstellung in eine gefährliche Abhängigkeit geraten — die wohlwollend hingenommen wurde, solange die Erfolge stimmten.

Erst unter dem massiven Druck der Öffentlichkeit stellte sich der Verband schweren Herzens gegen den mächtigen „Paten“ aus Mühlen, als der wegen tierquälerischer Maßnahmen heftig in die Schlagzeilen geriet. Doch schon vor der Affäre um das brutale Barren von Springpferden mußte Schockemöhle einen empfindlichen Schlag einstecken. Im Streit trennte er sich von Ludger Beerbaum, der ihm die Ehefrau ausgespannt hatte.

Fleischgroßhändler Moksel aus Buchloe nutzte die Gunst der Stunde und engagierte Beerbaum vom Fleck weg. Der talentierte Jungreiter sollte seinem Neffen Elmar Gundel auf die Sprünge helfen. Mit erstklassigen Pferden ausgerüstet, holten Gundel und Beerbaum bald schon die ersten Trophäen. Der Stall Moksel wurde zur ernsthaften Konkurrenz Schockemöhles aufgebaut. Mit der Stute „Classic Touch“ wurde Ludger Beerbaum in Barcelona Olympiasieger. Mittlerweile kann der Stall Moksel mit Ludger Beerbaum, Elmar Gundel, Markus Beerbaum und Ralf Schneider problemlos eine Nationenpreis-Equipe stellen — ein Monopol, das bislang allein Paul Schockemöhle gebührte.

Der kämpft derweil mit dem Aderlaß. Beim „German Classics“-Turnier am vergangenen Wochenende in Bremen, das von Paul Schockemöhle und Tenniszar Ion Tiriac gemeinsam veranstaltet wird, sattelten Sloothaak und Becker zum letztenmal für den Paten. Becker geht nach Warendorf, wo er mit seiner Verlobten, der vierfachen Dressur-Olympiasiegerin Nicole Uphoff, einen eigenen Ausbildungsstall hochziehen will. Abenteuerlicher der Sprung des Vize-Europameisters Franke Sloothaak: Er reitet fortan für den 57jährigen italienischen Multimillionär Vincenzo Muccioli. Der Manager, der sich gerne als „Der gute Mensch von Rimini“ sieht, betreibt dort ein großes Landgut namens San Padriano, wo zirka 2.000 drogenabhängige Jugendliche therapiert werden — vorwiegend über Arbeit. Ein lukratives Geschäft offenbar. Geld war es letztendlich auch, das Sloothaak zum Sponsoren- Wechsel bewog. „Muccioli hat mir eine Lebensstellung angeboten, die mir alle Freiheiten läßt“, umschreibt er das Angebot. Zudem darf der gebürtige Holländer in Oldenburg bleiben. Sein Stall wird in Damme nahe Vechta stehen, nur wenige Kilometer von seiner alten Arbeitsstätte entfernt. Dort, wo er sich ausschließlich auf den Turniersport konzentriert, kann er endlich das Image des Verkaufsreiters abstreifen.

So bleibt als einziger Hoffnungsträger im Hause Schockemöhle Rene Tebbel (23), Zweiter der Mannschafts-WM 1990. Und schon rührt der Pferdemeister, der schließlich auch Sloothaak („ein Jahrhunderttalent“) zum Erfolg gebracht hat, die Werbetrommel. „Es gibt in Deutschland keinen besseren Reiter“, lobt er seinen Angestellten überschwenglich. Ihm zur Seite steht Hermann-Josef Klöpper (26), und plötzlich ist auch Gerardus Krijnen wieder aus der Versenkung aufgetaucht. Er war rausgeflogen, nachdem er sich dummerweise hatte beim Barren eines Pferdes filmen lassen. Kaum ist die sechsmonatige Sperre abgelaufen, ist der Holländer wieder gefragt.

Insgesamt jedoch wirken die Bemühungen Schockemöhles halbherzig. Zwar will er, wie er beteuert, den Turnierstall weiter betreiben, doch ob in dem gewohnten Maße, darf bezweifelt werden. Die ebenfalls in Mühlen ansässige Pferdezucht jedenfalls wird demnächst nach Mecklenburg umgesiedelt. Michaela Schießl

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