: Wachstum und Wetter
Endlich kommt die Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes. Doch: Der Energiekrise werden wir nur entgehen, wenn künftig der Verbrauch von Ressourcen deutlich sinkt
Heute wird der Bundesrat mit seiner Oppositionsmehrheit die Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) ablehnen. Vergebens. Denn es ist nicht zustimmungspflichtig. Das Veto wird eine Demonstration ohne Konsequenzen bleiben – allenfalls wird es noch zu Verzögerungen durch den Vermittlungsausschuss führen.
Das nahe liegende Szenario ist demnach: Am heutigen Tag wird das neue EEG endgültig besiegelt. Und es wird den erneuerbaren Energien einen weiteren, notwendigen Schub geben. Zwar wird man die Windkraft an Land mittels gekürzter Einspeisevergütungen beschneiden, doch beim Strom aus Sonne und aus Biomasse werden die Konditionen teilweise deutlich verbessert. So wird das Gesetz in den betreffenden Branchen binnen kürzester Zeit einen wahren Boom auslösen; die Solarbranche erlebt ihn bereits in diesen Wochen.
Längst ist absehbar, dass das Jahr 2004 in Deutschland einen kräftigen Zuwachs an erneuerbaren Energien bringen wird. Und wenn das Wetter mitspielt – also etwa Wind in zumindest durchschnittlichem Maße weht – wird in diesem Jahr erstmals in der jüngeren Geschichte der Anteil erneuerbarer Energien am deutschen Strommix zweistellige Prozentzahlen erreichen.
Die Freunde des Ökostroms werden also weiterhin Grund zur Freude haben. Bereits im vergangenen Jahr hatten sie neue Rekordwerte verbuchen können – obwohl der Wind nicht so stark blies wie üblich und zugleich die Wasserkraft unter dem trockenen Sommer litt. Beachtliche 18,5 Milliarden Kilowattstunden erzeugte die Windkraft im Jahr 2003 in Deutschland dennoch, 2,6 Milliarden mehr als im Jahr zuvor.
Bilanziert man nun neben Wind und Wasser auch den Strom aus Biomasse, Photovoltaik und Erdwärme, so erkennt man, dass das Jahr 2003 diese Energien weit vorangebracht hat. Die Produktionskapazität der Ökokraftwerke (bezogen auf ein Jahr mit durchschnittlichen Wetterverhältnissen) lag im Jahr 2003 um beachtliche acht Milliarden Kilowattstunden höher als im Jahr zuvor. Gratulation daher an die Politik, die bereits mit dem alten EEG den Grundstein für diese Entwicklung legte. Gratulation auch an die einschlägige Industrie, die durch beachtliche Technologiesprünge diesen Fortschritt ermöglichte.
Und dennoch hat der Erfolg der erneuerbaren Energien einen schalen Beigeschmack. Schließlich ist es trotz großer Bemühungen bisher nicht gelungen, durch Ökostrom die Erzeugung in konventionellen Kraftwerken zu senken. Um exakt den gleichen Wert, um den die erneuerbaren Energien im Jahr 2003 ausgebaut wurde, stieg zeitgleich der gesamte Stromverbrauch in Deutschland: acht Milliarden Kilowattstunden.
Einen ursächlichen Zusammenhang der beiden Zahlen gibt es freilich nicht – die Übereinstimmung ist Zufall. Auch haben natürlich die Ökostromer keine Schuld daran, dass der Stromverbrauch in Deutschland kontinuierlich steigt. Dennoch ist die Entwicklung für die Branche fatal: Wenn es mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien auch in Zukunft lediglich gelingt, den Anstieg des Stromverbrauchs zu kompensieren, wird die Ökostrombranche sehr schnell ein ordentliches Imageproblem bekommen.
Gerade in Zeiten, in denen die Ökokraftwerke nicht überall auf Akzeptanz stoßen, ist die Entwicklung heikel. Denn selbst mancher Kritiker von Windrotoren würde diese Technik noch akzeptieren, wenn er wüsste, dass jede Kilowattstunde aus einer Windkraftanlage tatsächlich eine Kilowattstunde Kohle- oder Atomstrom verdrängt. Muss er am Ende aber feststellen, dass trotz Milliardenförderung für die erneuerbaren Energien der Verbrauch an konventionellen Energien (und damit die Erzeugung von Kohlendioxid und Atommüll) unverändert auf hohem Niveau verharrt, fragt sich mancher Beobachter: Wozu der ganze Aufwand?
Kritiker der Windkraft rechnen es bereits gerne und süffisant vor: Einfacher und billiger sei es, eine vergleichbare Menge Strom zu sparen, als ein neues Windrad zu errichten. Das ist derzeit faktisch sogar richtig. Und es könnte die Windkraftbranche schwer in Bedrängnis bringen, nähmen die Windkraftgegner ihre eigenen Worte ernst und machten sich zu Vorreitern der Energieeffizienz – die Freunde der Windkraft bekämen plötzlich ein Argumentationsproblem.
Bisher hat die Windbranche schlicht das zweifelhafte Glück, dass die Windkraftgegner trotz ihrer Sprüche in Wahrheit gar keine Energieeinsparung wollen, sondern alleine auf die Blockade der Windrotoren abzielen. Doch auf Dauer haben die Befürworter der erneuerbaren Energien nur eine Wahl: Sie müssen das Thema Energieeffizienz selbst besetzen, ehe es die Gegenseite tut.
Spielräume für Effizienzgewinn gibt es schließlich genug. Fakt ist zum Beispiel, dass in Deutschland die Umstellung aller Stromheizungen auf das umweltfreundlichere Gas so viel Strom sparen würde, wie heute alle Windräder im Land erzeugen. Noch offenkundiger ist die Relation beim Solarstrom, wie der Bund der Energieverbraucher jüngst vorrechnete: Im letzten Jahr wurde hierzulande in Stromheizungen 76-mal so viel Energie verbraten, wie alle Photovoltaikanlagen Deutschlands zusammen erzeugten.
Die Zahlen machen vor allem eines deutlich: Wer die erneuerbaren Energien propagiert, bleibt nur glaubwürdig, wenn er sich zugleich Gedanken ums Energiesparen macht. Die Verbände der sauberen Energien sind daher gut beraten, sich künftig wieder mehr als Umweltverbände zu definieren denn als reine Lobbyorganisationen der Branche. Schließlich wird die Sinnhaftigkeit der Förderung erneuerbarer Energien zunehmend daran gemessen werden, ob es Sonne & Co. gelingt, Kohle- und Atomkraftwerke zurückzudrängen.
Wo also bleibt die Wind-, Wasser-, Solar- und Biomasselobby, die sich für eine weitere Erhöhung der Energiepreise über die Ökosteuer stark macht? Wo bleibt die Ökobranche, die sich gegen den Wahnsinn der verschwenderischen Stromheizungen wehrt?
Und warum nur fühlen sich die Vertreter der effizienten – und damit energiesparenden – Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) immer so ausgegrenzt von den Freunden des regenerativen Stroms? Zumal doch längst klar ist, dass die Energiewende nur gelingen wird, wenn die Gesellschaft alle Energien endlich effizienter einsetzt.
Einen kleinen Lichtblick gibt es jetzt – im neuen EEG nämlich: Für die effizienten Kraftwerke auf KWK-Basis wird es künftig eine höhere Einspeisevergütung geben. Denn die Stromkonzerne wurden verpflichtet, ihren Kalkulationen mindestens den Börsenpreis des Stroms zugrunde zu legen (anstelle eines bislang willkürlich angesetzten Strompreises). Das wird einige geplante Projekte voranbringen – und damit den Energieverbrauch im Lande senken. Eben genau das, was die erneuerbaren Energien jetzt brauchen.
BERNWARD JANZING