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■ Zur Konsum-Konferenz in OsloWachstum. Und wachsende Not.

Seit 1987 der Begriff sustainable development (tragfähige Entwicklung) das Licht einer breiteren Öffentlichkeit erblickte, hat er sich selbst zu einem Umweltproblem entwickelt. Der Begriff aus dem von der norwegischen Ministerpräsidentin verantworteten Brundtland-Rapport geht um wie eine Seuche, hat eine unüberschaubare Zahl von Berichten, Büchern und Papers produziert und Hunderte von Konferenzen beschäftigt. Vorläufiger Höhepunkt: die Mega- Konferenz in Rio 1992. „Tragfähiger“ ist die Entwicklung auf der Erde aber keineswegs geworden – schon deshalb, weil die Richtung der Umverteilung nicht stimmt: 1973 gingen 73 Prozent der globalen Einkünfte an die 20 Prozent der Reichsten, während die 20 Prozent der Ärmsten 2,7 Prozent bekamen. Heute gehen 83 Prozent nach oben und 1,4 Prozent nach ganz unten. Die in Rio verabschiedete „Agenda-21“ schiebt den Industrieländern die Verantwortung dafür zu, die Plünderung der Ressourcen zu beenden und zu einem auf Dauer tragfähigen Niveau des Konsums zu kommen.

Die zweitägige Konferenz in Oslo, von Brundtlands Kabinettsmitglied Thorbjörn Berntsen geprägt, sollte der Versuch sein, die Floskel mit praktischem Inhalt zu füllen. Denn als idealistisches Politikziel sagt „tragfähige Entwicklung“ alles und nichts. Der Begriff ist so diffus, daß damit jede Diskussion vernebelt werden kann, solange die industrielle Welt nicht den entscheidenden Schritt macht: den Wachstumsbegriff überhaupt aufzugeben. Im geschlossenen System Erde kann es nicht mehr um Wachstum gehen, sondern nur noch um Entwicklung und Umverteilung.

Doch wo sprechen PolitikerInnen und Gewerkschaften nicht von neuem Wachstum, wenn es um die Überwindung von Arbeitslosigkeit und Wirtschaftskrise geht? Berntsen konnte mit einem Beispiel aus seinem eigenen Land dienen: Offizielle Politik seiner Regierung ist eigentlich die Verdoppelung des Konsums bis zum Jahr 2030. Sollte sich zum Beispiel ein Land wie Indien dasselbe Ziel setzen, wäre der Kollaps des Globus besiegelt.

Der Wachstumsbegriff ist verführerisch: er verheißt Wohlstand für die einen, Stabilität für die anderen, und er bildet die Grundlage der politischen Rhetorik. Jeder Versuch, ihn zu ersetzen, wirkt zunächst wie im schlechten Sinne utopisch – und in hohem Maße naiv. Berntsens Vorschlag, wegen der Unübersichtlichkeit der Welt viele kleine Miniwelten und neue Verantwortungsallianzen aufzubauen, ist ein solcher auf den ersten Blick naiver Vorschlag, der es verdienen würde, ernsthaft diskutiert zu werden. Reinhard Wolff, Stockholm

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