WM-Vorfeiern in Südafrika: Rabatz im ganzen Land
Die Südafrikaner sind siegesgewiss und feiern den "Vuvuzela Day". Doch ob das Turnier für das Land so segensreich sein wird, wie einige behaupten, ist sehr fraglich.
PRETORIA taz | High Noon startete das landesweite Projekt. Ein ganzes Land trötete. Die Organisatoren der Weltmeisterschaft hatten am Mittwoch alle Südafrikaner dazu aufgerufen, in ihre Vuvuzelas zu blasen oder sonst irgendwie Lärm zu schlagen. Und siehe da: Das Partyvolk machte Rabatz beim "Vuvuzela Day". An der Universität von Pretoria liefen die Studenten aus ihren Vorlesungen und trompeteten. An der Skinner Street im Westen der Stadt sah man drei Dutzend Schwarze in Blaumännern, die herumhüpften und mit dicken Backen bliesen.
Im Stadtverkehr ging's zu wie bei einem riesigen türkischen Hochzeitskonvoi. Im Börsenviertel Sandton wurde mit einigen Nationalspielern eine Parade veranstaltet. Selbst die TV-Moderatoren tragen jetzt das gelbe oder grüne Trikot des Teams, wenn sie auf Sendung sind. Kurzum: Südafrika ist bereit für die Weltmeisterschaft. Die Autofähnchen hat man schon seit Tagen ans Gefährt montiert. Wer sich dafür zu fein ist, hat Überzüge in den Landesfarben über beide Seitenspiegel gezogen.
Man erwartet schlicht ein Wunder von der eigenen Mannschaft. Das Halbfinale soll es sein, besonders Verwegene rechnen gar mit dem WM-Sieg. Der ist freilich so wahrscheinlich wie ein Tour-de-France-Triumph eines Radlers aus Afrika, aber das stört die Optimisten nicht.
Die Fußballhistorie besagt, dass der WM-Gastgeber noch nie in der Vorrunde ausgeschieden ist. Das ist ein gutes Omen. Auch die Serie der südafrikanischen Bafana Bafana, was nichts anderes als "Jungs, Jungs" heißt, lässt sich sehen. Sie sind seit zwölf Spielen ungeschlagen, zuletzt haben sie Dänemark in einem Testspiel mit 1:0 besiegt. Damit nicht genug, will der greise Übervater des Landes, Nelson Mandela, 91, nun doch persönlich zum Eröffnungsspiel der Südafrikaner ins Soccer-City-Stadion kommen, zwar nur für 15, zwanzig Minuten, wie Mandelas Sohn am Mittwoch ankündigte, aber immerhin. Sein Erscheinen ist wie das von Friedensnobelpreisträger Desmond Tutu von Symbolgehalt für eine gespaltene Nation, die weit entfernt ist vom Ideal einer Regenbogengesellschaft.
Beim Rugbyfinale 1995, als die Springboks überraschend Weltmeister wurden, war es Nelson Mandela, der das Trikot des Nationalteams überstreifte und damit signalisierte, dass er etwas mit dem weißen, burischen Sport anfangen kann. Damals schien es, als könne der Sport eine Nation versöhnen, heute weiß man, dass Sport zwar unterhalten, aber keine tiefgreifenden politischen Probleme lösen kann - auch wenn das WM-Promotoren wie Fifa-Chef Joseph Blatter und der WM-Organistationschef Danny Jordaan propagieren. Blatter verkündet allerorten, von der WM könnten auch die Armen profitieren, sie werde das Land nachhaltig verändern.
Auch Jordaan glaubt an die gestaltende Kraft des Fußballs. Moeletsi Mbeki allerdings bezweifelt das. Der Bruder des früheren Staatspräsidenten Thabo Mbeki und Chef der Firma Endemol South Africa, sagt, die WM werde den Lebensstandard der Armen keinen Deut verbessern, im Gegenteil. Die WM sei auch nicht besonders afrikanisch, kritisiert er, Knowhow und Investitionen seien überwiegend aus Europa gekommen.
Die Fifa ist überdies nicht als Wohltätigkeitsorganisation in Südafrika angetreten. Ihr geht es um den Schutz von exklusiven Sponsoreninteressen und um eine saubere Fußballshow. Blatters Kalkül, die WM erstmalig nach Südafrika zu vergeben, war nicht seinem heimlichen Hang zur Philanthropie geschuldet, sondern vielmehr galt es, die Stimmen der afrikanischen Fußballverbandsfunktionäre auf lange Sicht zu sichern. Deswegen wird Blatter auch nicht müde, die WM als panafrikanisches Projekt zu deklarieren.
Für die Winkelzüge höherer Sportpolitiker interessiert sich der einfache Vuvuzela-Bläser in den Townships freilich weniger. Er will ein Spektakel ohne gleichen erleben. Am Freitag um 16 Uhr beginnt der erste Akt in diesem Stück mit Bläserbegleitung.
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