WM-Titel für deutsche U 20-Frauen: Künstlerinnen auf Kunstrasen
Das deutsche U 20-Nationalteam gewinnt in Kanada das WM-Finale gegen Nigeria. Das Siegestor schoss Lena Petermann in der 98. Minute.
Es gibt diesen einen Moment, der alles verändern kann. Nicht nur einmal griff sich Lena Petermann deshalb an den Kopf. Irgendwann stieß die Siegtorschützin im riesigen Oval des Olympiastadions von Montreal einen Freudenschrei aus, dann noch einen, aber weil immer wieder Mitspielerinnen oder Trainerinnen zur Gratulation herbeieilten, blieb die 20-Jährige nie wirklich allein, um zu begreifen, was es bedeutet, den Ball in einem WM-Endspiel kurz entschlossen ins Tor zu schießen.
Nach fabelhafter Vorarbeit von Pauline Bremer sorgte die deutsche U 20-Nationalspielerin für die finale Erlösung in der 98. Minute. Sie erzielte den Treffer zum 1:0 gegen Nigeria. „Ich finde noch keine Worte, es ist alles so irreal“, sagte die seit zwei Jahren in den USA für die UCF Knights spielende Fußballerin.
Dienstag gegen 8.20 Uhr wird in Frankfurt der Flieger aus Montreal erwartet und dann obligatorisch von der DFB-Führung empfangen. Der eigens in die Olympiastadt von 1976 gereiste Generalsekretär Helmut Sandrock würdigte den dritten großen deutschen Teamerfolg bereits vor Ort.
Ein erfolgreiches Jahr
„Mit dem WM-Titel der Männer, dem Gewinn der U 19-EM und nun auch dem WM-Titel für die U 20-Frauen war es ein sehr erfolgreiches Jahr für den deutschen Fußball“, sagte Sandrock, neben dem auf der Ehrentribüne ausgerechnet der sich gerne als Frauenförderer gerierende Fifa-Präsident Sepp Blatter fehlte.
Aber das scherte niemand der deutschen Weltmeisterinnen, die beim letzten von sechs überzeugenden Auftritten immerhin Besuch von Silvia Neid erhalten hatten. Die Bundestrainerin lief spontan auf den Platz. „Ihr seid super, ganz stark“, rief sie bei ihren Umarmungen aus. Später erklärte sie: „Ich habe einige Spielerinnen gesehen, die das Potenzial haben, auch in der Nationalmannschaft anzukommen.“
Taktisch und technisch offenbarten die meisten Talente erstaunliches Können. Die fünffachen WM-Torschützinnen Sara Däbritz (19 Jahre) und Pauline Bremer (18) sind intern fest für die Frauen-Titelkämpfe nächstes Jahr in Kanada eingeplant; die beim SC Freiburg geförderte Sara Däbritz kam bereits beim EM-Gewinn vergangenen Sommer zum Einsatz, die an Turbine Potsdam gebundene Pauline Bremer besitzt mittelfristig wohl die noch prächtigeren Perspektiven.
Ungewohnter Untergrund
Sollte sich der Vormarsch der jungen Frauen jetzt beschleunigen, könnte es daran liegen, wie klaglos sich die deutschen Mädels auf den ungewohnten Kunstrasen einstellten. „Der schönste Untergrund ist der, auf dem man gewinnt“, lautete die Losung der zuständigen Nationaltrainerin Maren Meinert, womit die 41-Jährige eine zuletzt von den Weltstars des Frauenfußballs befeuerte Debatte geschickt erstickte. Vor Monaten hatte selbst Silvia Neid gelästert: „Jogi Löw spielt mit seinen Jungs auch nicht auf Sand.“
Der DFB-Nachwuchs warf sich gegen die athletischen Westafrikanerinnen einfach ohne Rücksicht auf Scheuerstellen oder Schürfwunden in die Zweikämpfe – und erzwang in dem ausgeglichenen Abnutzungskampf das glückliche Siegtor, weil es wegen eines umstrittenen Abseitstors der mit Goldenem Schuh und Ball prämierten Asisat Oshoala auch anders hätte ausgehen können. „Es war ein verrücktes Finale“, räumte Maren Meinert ein, „wir haben nie damit gerechnet, Weltmeister zu werden.“
Eine Grundlage dafür stellte – analog zu den Männern – ein stilprägender Rückhalt zwischen den Pfosten dar. Die mit dem Goldenen Handschuh ausgezeichnete Meike Kämper (MSV Duisburg) bringt viele Anlagen mit, vielleicht eine Ära wie ihre Torwarttrainerin Silke Rottenberg oder Nadine Angerer zu prägen. Die Auszeichnungen und der Titel für den nunmehr dreimaligen Weltmeister dieser Altersklasse waren fraglos verdient. Nur fassen konnten es eben nicht alle.
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