WM-Achtelfinale Schweden gegen Kanada: Die Flanken waren sinnlos

Die Schwedinnen konnten sich gegen Kanada auf ihr Bollwerk samt Torhüterin verlassen. Und dann gab es gute Konter – einer davon entscheidend.

Zwei Frauen in gelben Trikots umarmen sich und jubeln gemeinsam

Tor für Schweden! Jubel bei Kosovare Asllani (rechts) und Torschützin Stina Blackstenius Foto: reuters

An der Torhüterin ist schon mal nicht so leicht vorbeizukommen. Die schier unfassbare Parade von Hedvig Lindahl, die in der 69. Minute des Achtelfinals gegen Kanada einen von Janine Beckie geschossenen Elfmeter gehalten hat, wird in Erinnerung bleiben. Lang hat sie sich gemacht, immer länger. Und das musste sie, denn Beckies Schuss war platziert. „Manchmal ist man zu kurz“, hat Lindahl nach dem Spiel gesagt. „Aber diesmal habe ich mich gestreckt und es hat gereicht. Es hat großen Spaß gemacht.“

Aha, die Torfrau ist schon mal nicht so leicht zu überwinden, muss denken, wer das Spiel mit der deutschen Brille auf der Nase angesehen hat. Die Schwedinnen spielen am Samstag (18.30 Uhr, ARD) in Rennes gegen Deutschland um den Einzug ins Halbfinale. Was das Team von Martina Voss-Tecklenburg dabei erwarten könnte, war ganz gut zu erkennen an diesem Achtelfinalabend von Paris, an dessen Ende Schweden Kanada mit 1:0 besiegt hatte.

Es wird vor allem schwer sein, ein Tor zu erzielen. Das liegt nicht nur an Lindahl, die vielleicht gar nicht so gut ist, wie ihr verrückter Flug beim kanadischen Elfmeter ins rechte untere Toreck vermuten ließe. Die 36-Jährige ist jedenfalls beim FC Chelsea, für den sie seit 2015 gespielt hat, nicht mehr gefragt. In der vergangenen Saison hat sie in der englischen Women's Super League bei weitem nicht alle Spiele bestritten. Ist sie also doch nicht so gut? Das ist beinahe schon egal. Denn die schwedische Abwehr lässt kaum einen Schuss oder Kopfball zu.

Was wurde in diesen Tagen nicht schon alles über Kanadas Rekordstürmerin Christine Sinclair geschrieben, die in 282 Länderspielen 181 Tore geschossen hat. Dass sie einen großen Teil davon mit dem Kopf erzielt hat zum Beispiel. Und diesmal? Das Achtelfinale war schon fast abgepfiffen, da hat sie ihr erstes Kopfballduell gewonnen. Und es sind weiß Gott nicht wenige Flanken in den Strafraum geflogen. Sie waren sinnlos. Die Innenverteidigung mit Nilla Fischer, die zusammen mit Alexandra Popp beim VfL Wolfsburg spielt, und Linda Sembrant kann man getrost als Prunkstück der Mannschaft bezeichnen. Wie sie die Reihen geschlossen hielten, die Kompaktheit organisiert haben, dafür gesorgt haben, die Räume eng zu machen, als die Kanadierinnen in den letzten Minuten des Spiels zu einem verzweifelten Sturmlauf angesetzt haben, war beeindruckend. Es wurde einfach nicht gefährlich im 16-er der Schwedinnen.

Für Kanada hat es gereicht

Verteidigen können sie also. Da müssen sie sich für das Spiel gegen Deutschland keine Sorgen machen, auch wenn die Herangehensweise von Trainer Peter Gerhardsson an dieses Turnier durchaus auch ihre Risiken birgt. Gegen die USA hat er Nilla Fischer geschont. Gegen Thailand und Chile war sie eh nicht gefordert. Er verlässt sich auf sie. Einspielen durfte sie sich nicht mit ihren Mitspielerinnen in der Verteidigung. Die Partie gegen Kanada war ihr erstes echtes Wettbewerbsspiel bei dieser WM. Auch die Außenverteidigerinnen Hanna Glas und Magdalena Eriksson waren gegen die USA nicht dabei. Für die Kanadierinnen, die im vorderen Drittel des Spielfelds viel zu unpräzise waren, hat es gereicht. Und für die Deutschen? Nun ja, für Präzision steht deren Spiel bislang ja auch nicht gerade.

Ein Fehlpass war es auch, der zum schwedischen Tor geführt hat. Ein Konter, ein schöner Pass von Kosovare Asllani und ein sicherer Abschluss von Stina Blackstenius. 55 Minuten waren da gespielt. Und bis zu diesem Zeitpunkt hatten die Schwedinnen nicht wirklich etwas zum Spiel beigetragen. Drei Angriffchen brachten sie in der ersten Hälfte zustande. Und wie die Angreiferinnen ein ums andere Mal mit dem Ball am Fuß die Gegnerinnen angelaufen haben, um ihn umgehend an diese zu verlieren, das hatte bisweilen etwas Armseliges.

Kein Wunder, dass es drei Momente aus zwei Spielszenen waren, die Trainer Gerhardsson nach dem Spiel hervorgehoben hat. „Kosovares Pass, Stinas Entschiedenheit und die Parade von Hedvig, am Ende hatten wir unsere Heldinnen“, sagte er. Viel mehr war da nicht, auch wenn Gerhardsson Recht hat mit seiner Beobachtung, dass seine Spielerinnen in der zweiten Hälfte auch mal versucht haben, den Ball nach vorne zu spielen, statt zu dreschen.

Natürlich wurde er auch gefragt, wie er sich auf das Spiel gegen die Deutschen vorbereiten wird. Vor dem Achtelfinale gegen Kanada habe er stundenlang Neil Young gehört, das sei die ideale Vorbereitung gewesen. „Diesmal ist wohl Rammstein angesagt“, meinte er. Deren neues Album habe er vor kurzem gehört. Das würde passen. Denn es werde „heavy“ am Samstag. „Deutschland, Deutschland über allen“, heißt es bei Rammstein da unter anderem. Auch die Vorbereitung auf das Deutschlandspiel könnte für Gerhardsson „heavy“ werden. Und was hat er sonst zu dem Spiel gegen die Deutschen gesagt, gegen die Schweden seit 1991 nicht mehr in einem Turnier gewonnen hat? „Man weiß das Ergebnis nie, bevor das Spiel aus ist. Das ist Fußball.“ Da wären wir nun wirklich nicht drauf gekommen.

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