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WIE IM RICHTIGEN LEBEN

■ „Einer für alles“ im Schloßparktheater

In der britischen Kleinstadt probt ein Laientheater die Aufführung von John Gays „The Beggar's Opera“. Die Mitglieder der Truppe sind anständige Bürger der Stadt. Geschäftsleute meist, und „deren Frauen und Töchter“. Alle kennen sich seit langem. Es muffelt nach abgestandenem Tee und aufgeweichten Bisquits.

Ein Neuer, der sinnigerweise Guy Jones heißt (gespielt von Guntbert Warns), bewirbt sich mit einem Volksliedchen und wird vom Fleck weg aufgenommen. Es ist der sympathische junge Mann von nebenan, der nur einen Fehler hat: Er kann nie Nein sagen. Deshalb erklimmt er in Windeseile das Leiterchen vom Statisten zum Star des Ensembles. Eifrig und beflissen, es allen recht zu machen, wird Jones erst der Geliebte der Regisseursgemahlin Hannah, gerät dann in die Fänge Fays und versucht es mit beiden. Die Männer wollen ihn rund um ein Spekulationsgeschäft jeder auf seine Seite ziehen. Weil Jones gerne dazugehören möchte, will er allen helfen. Schließlich hat er sich jeden zum Feind gemacht und steht - siehste, das kommt von das! - nach der Premiere der Oper alleine da.

Der Autor Alan Ayckbourn, der hauptberuflich eigentlich Regisseur ist, hat den Schluß der Komödie an den Anfang gesetzt. Die Geschichte wird nachträglich aufgerollt. Jones ungewollte Intrigen sorgen für Krach, und auch sonst finden die Mitglieder oft genug Anlaß zu kleinlichem Streit, der immer passend der gerade zu probenden Szene entspricht. Wenigstens gelingt die Premiere, wenn schon im „echten“ Leben nichts klappt.

Denn natürlich haben die theaterspielenden BürgerInnen die vom Mittelstand im allgemeinen erwarteten Probleme und Macken, die von den Schauspielern des Schloßparktheaters überzeugend ausgearbeitet werden. Hannah in ihrem Leinenanzug (Tatja Seibt) ist so richtig aus dem richtigen Leben. Sie sortiert Kinderwäsche und fühlt sich von ihrem Mann übersehen. Nach einigen Malen Unterhosenwaschen für Jones will Hannah Kinder und Mann „für immer verlassen“. Das hört der Geliebte wiederum gar nicht gern. Ihr Gemahl (Friedhelm Ptok) schimpft Hannah kühl - und meint frigide und kommt gar nicht auf den Gedanken, daß seine Hausfrau mit einem anderen Spaß haben könnte.

Im Parkett sitzen die BerlinerInnen und freuen sich, daß ihr Leben von einem Autor für so wichtig gehalten wird, es auf die Bühne zu bringen. Dabei ist es viel lustiger, solch Kapriolen im „richtigen Leben“ selber zu spielen: Die Unklarheit, wann der nächste Gang kommt und ob die Ja -Sagerei fröhlich oder in einer Katastrophe endet, garantiert erhöhte Spannung. Und wir müssen nicht versuchen, britischen Humor durchs Deutsche zu drehen.

Claudia Wahjudi

Alan Ayckbourn: Einer für alles, Schloßparktheater, jeweils 20 Uhr.

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