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WEU will Euro-Armee schaffen

■ Außen- und Verteidigungsminister für Kampfeinsätze mit UNO-Mandat/ Rühe: Auf Bonn kommen zunächst Blauhelmeinsätze zu/ Sicherheitszone um Sarajewo gefordert

Bonn (afp) — Die Westeuropäische Union (WEU) hat am Freitag den entscheidenden Schritt zu einer europäischen Verteidigungsgemeinschaft getan. Die Außen- und Verteidigungsminister beschlossen bei ihrer Frühjahrstagung auf dem Petersberg bei Bonn, daß Truppen aus den WEU-Staaten unter gewissen Voraussetzungen künftig für Blauhelm- und Kampfeinsätze zur Verfügung stehen. Grundlage des Ausbau der WEU sollen die Beschlüsse von Maastricht sein, wonach die EG künftig auch eine Sicherheits- und Verteidigungspolitik betreiben will. Als Instrument soll die WEU dienen. In einer „Petersberg-Erklärung“ wurde vereinbart, daß Truppen aus WEU-Mitgliedsstaaten, auch zusammen mit NATO-Streitkräften sowie dem deutsch-französischen Eurokorps, für Einsätze im NATO- Verteidigungsfall sowie für humanitäre Aktionen, Blauhelmeinsätze und Kampfmaßnahmen zur Friedenssicherung eingesetzt werden können. Voraussetzung für eine Teilnahme an Kampfeinsätzen außerhalb des NATO-Gebiets ist ein Mandat des UN-Sicherheitsrats, eine einstimmige Entscheidung des WEU-Ministerrats und ein Ja derjeweiligen nationalen Regierungen entsprechend der nationalen Gesetzgebung. Die Bundeswehr dürfte nach bisher gängiger Grundgesetzinterpretation an solchen Einsätzen nicht teilnehmen. Die Bundesminister Kinkel und Rühe betonten die Notwendigkeit einer Grundgesetzänderung, damit Deutschland seine internationalen Rechte und Pflichten wahrnehmen könne. Rühe unterstrich, auf die Deutschen würden in den nächsten Jahren konkret Blauhelm-Einsätze zukommen. Er erinnerte daran, daß einzelne Länder für ihre Teilnahme daran einen „hohen Blutzoll“ entrichtet hätten. Die multinationalen Truppen sollen der „Petersberg-Erklärung“ zufolge im Einsatzfall unter WEU-Kommando stehen. Geplant ist die Schaffung einer WEU-„Planungszelle“ mit etwa 40 Offizieren zum 1. Oktober. Sie soll die Einsatzmöglichkeiten für den Krisenfall ausarbeiten, aber keine Befehlsgewalt haben. Die WEU verständigte sich ferner darauf, Beitritts- und Assoziierungsverhandlungen mit interessierten NATO- oder EG-Staaten aufzunehmen, die bis Jahresende abgeschlossen sein sollen. Angstrebt wird eine Mitgliedschaft Griechenlands, für die Türkei und Norwegen sind Assoziierungen angepeilt. In einer Erklärung zur Jugoslawien-Krise betonten die Minister, die WEU sei im Rahmen ihrer Möglichkeiten entschlossen, zu einer wirkungsvollen Umsetzung von UN-Resolutionen beizutragen. Eine ad-hoc-Gruppe von Vertretern der Außen- und Verteidigungsminister soll mögliche Maßnahmen prüfen. Gleichzeitig unterstrichen sie die Wichtigkeit, eine Sicherheitszone in und um die bosnische Hauptstadt Sarajewo einschließlich des Flughafens einzurichten, wie dies in der UN-Entschließung 758 vorgesehen ist. Außenminister Kinkel betonte, er bleibe dabei, daß „letztlich auch militärische Maßnahmen“ zur Bewältigung der Lage nicht ausgeschlossen werden.

Die SPD lehnt die Möglichkeit militärischer Einsätze der WEU nachdrücklich ab. Laut des außenpolitischen Sprechers Voigt bleibe die SPD bei ihrem Nein zu Kampfeinsätzen außerhalb des NATO-Geltungsbereiches. Eine Zustimmung der Bundesrepublik zu dem entsprechenden Beschluß der WEU-Minister nannte Voigt problematisch, da die Beteiligung deutscher Soldaten an Einsätzen außerhalb des NATO- Gebietes verfassungswidrig sei.

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