: WDR: Weniger sehen. Weniger hören?
■ Stunk um die Stunksitzung: Der WDR strich einen Beitrag wegen Blasphemie
Schon der Beginn der Sendung war höchst merkwürdig. Nach der fröhlichen Ansage am Donnerstag abend um 22:30 Uhr wurde erst mal zwei Minuten das Standbild „WDR. Mehr sehen. Mehr hören.“ eingeblendet. Schließlich war auch noch fast zehn Minuten früher Schluß als vorgesehen. Technische Pannen? Wohl kaum.
In letzter Minute war aus der ausschnittsweisen Übertragung der politisch-kabarettistischen Kölner Stunksitzung noch der Kirchen-Sketch herausgeschnippelt worden. Darin wurde eine Messe im Kölner Dom als Fußballspiel zelebriert – mit Fans auf einer Kirchenschiff-Tribüne wie in der Südkurve des 1. FC: Statt Wurst und Bier gab es einen Oblatenverkäufer, die Klerikalfans skandierten: „Hurra, jetzt kommt das Abendmahl!“ Foul an Jesus – verletzt am Boden! „Kein Problem – Ostern ist der wieder fit.“ Und Bischof Meißner als Schiedsrichter – Fanchoral nach einem Fehlpfiff „Schwarze Sau, Schwarze Sau!“ Frech, aber noch nicht mal politisch, böse schwarze Comedy eben.
Aber plötzlich zu böse für den WDR. Nun hätte der Sender diese Nummer von vornherein weglassen können. Aber niemand nahm Anstoß, obwohl der Beitrag bis zur Intendanz hoch schriftlich mit den einzelnen Nummern angemeldet war. Gedreht worden war schon vor zehn Tagen. Erst am späten Nachmittag, bei der letztlichen Abnahme, war es hoch hergegangen. „Je weiter nach oben, desto weicher wird's im Gebälk“, sagt ein Beteiligter. Besonders auffällig: Im Abspann der Nachtübertragung fehlten die Namen von Regie und Redaktion.
Redakteur Burkard Bergermann und Regisseur Wolfgang Lünenschloß hatten sich diese persönliche Zusatzkürzung tief verärgert ausbedungen und noch am Abend gegenüber den Stunkern erklärt, daß sie ab sofort „nicht mehr vertreten können“, für den WDR die Stunksitzung zu produzieren. „So kann ich nicht arbeiten“, sagte Bergermann. Schon vor drei Jahren hatten WDR-Gewaltige über die Stunker-Textstelle „Meißner, du Arschloch!“ einen Piepser gesetzt. Das ging noch als Realsatire durch, weil hier die Zensur offenkundig war.
Im Sender war gestern eine Mauer des Schweigens errichtet. Die Pressestelle hatte bis zum Mittag noch gar nichts mitbekommen, und der verantwortliche TV-Unterhaltungschef Hugo Göke („der Umfaller, dieses Weichei“, so einer der frustrierten Stunker) saß stundenlang im Krisenmeeting. Vergangene Woche noch, auf einer Pressekonferenz, hatte Göke über die Stunk-Übertragung vollmundig getönt: „Wer, wenn nicht wir, soll solche Programme zeigen?“ Die Antwort kann ihm Stunk- Sprecher Winni Rau bald geben: „Mit solcher Zensur treibt uns der WDR anderen Sendern direkt in die Arme.“ Bernd Müllender
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