WAS MACHEN EIGENTLICH ...… die Mitte-Vögel?: Den Abflug
„Silent Spring“ hieß ein Buchklassiker aus den Anfängen der Ökobewegung. Zu verstummen drohte der US-amerikanische Frühling in den 60ern, weil Chemiekeulen wie DDT der Vogelwelt den Garaus machten. Für Besucher der Oranienburger Straße wird diese Schreckensvision jetzt Realität – ganz ohne Pestizide.
Zwischen Krausnickstraße und Großer Hamburger, an der Fassade des Hauses, in dessen Souterrain die Kneipe Assel letztes Wendeflair verströmt, konnte man seit Jahren einen gewaltigen Schlingknöterich bestaunen. Die auch „Architektentrost“ genannte Art ist extrem wuchsfreudig und bildet nach wenigen Jahren dichte Laubmatten aus. Singvögel lieben die Pflanze als Nist- und Schlafplatz: Sie bietet Sichtschutz vor Raubvögeln und Wärmedämmung an kalten Tagen.
So auch in der Oranienburger Straße. Gäste der Assel, heißt es, verstanden ob des Zwitscherns hunderter Spatzen, Meisen und Finken bisweilen ihr eigenes Wort nicht. Der Knöterich war eine kleine Touristensensation. War – denn gestern ließ die Hausverwaltung ausreißen, was in ihren Augen lediglich eine Gefährdung der Fassadensubstanz darstellte.
Anfang Februar hatte das Bezirksumweltamt einen entsprechenden Antrag abgelehnt, genehmigt hat ihn nun die Stadtentwicklungsverwaltung als oberste Naturschutzbehörde. „Die Vögel können ja wegfliegen“, begründete man dort das Urteil. Von der alten Naturschützermaxime „Seid gut zu Vögeln“ hält man im Senat offensichtlich wenig. Und die Oranienburger Straße sieht einem traurigen Frühling entgegen. CLP
FOTO: ARCHIV
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