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WARUM STOIBER KEIN ZUWANDERUNGSGESETZ WILLDie Rückkehr der Fundis

Die Union wird morgen den rot-grünen Kompromiss in Sachen Zuwanderung im Bundestag ablehnen. Das ist erstaunlich, zumindest erklärungsbedürftig. Denn Rot-Grün ist, bis über die Schmerzgrenze hinaus, auf die Forderungen der Union eingegangen. Rot-Grün hat praktisch bei der Frage nachgegeben, wie alt die Kinder sein dürfen, die Migranteneltern nach Deutschland holen. Rot-Grün hat ideologisch nachgegeben und akzeptiert, dass dieses Gesetz die Zuwanderung begrenzen soll. Ein Zuwanderungsgesetz, das Migration nicht regeln, sondern ausdrücklich verhindern soll, ist schon formallogisch absonderlich. Aber Migrationspolitik ist hierzulande traditionell nicht von Vernunft geleitet, sondern von Verdrängung.

Von Beginn an war klar, dass dieses Gesetz ein Kompromiss wird. Das war aus der rot-grünen Not geboren, im Bundesrat über keine Mehrheit zu verfügen, hatte aber tieferen Sinn: Zuwanderung braucht, anders als Dosenpfand oder Ökosteuer, einen sehr, sehr breiten gesellschaftlichen Konsens – sonst wird sie rasch wieder zur Munition im politischen Alltagsgeschäft. Deshalb waren die grünen Dehnungsübungen richtig. Allein: Sie haben nicht geholfen. Denn die Union will nicht konstruktive Opposition sein – ihr passt die ganze Richtung nicht. Der Fundi Stoiber setzt auf einen Einwanderungswahlkampf. Das klingt platt, aber so ist es wohl: Stoiber will die Wahlen mit Ressentiments gewinnen. Deshalb ist die Union so taub für Kirchen und Unternehmer, die dieses Gesetz, aus sehr verschiedenen Motiven, unterstützen. Der liberale Teil der CDU, der Peter-Müller-Flügel, ist, was er in der Migrationsfrage immer war: im entscheidenden Moment eine Enttäuschung.

So geschieht, was immer zu befürchten war: Das Zuwanderungsgesetz endet im Räderwerk des politischen Machtspiels. Der Showdown folgt Ende März im Bundesrat. Die SPD hofft, dass sie die Brandenburger CDU, bei Strafe des Untergangs der großen Koalition in Potsdam, auf ihre Seite ziehen kann. Das wäre eine gerechte Strafe für Stoibers böses Kalkül: Es wäre ein Imagefiasko für den Kanzlerkandidaten. Deshalb ist leider auch unwahrscheinlich, dass es im März einen Unionsdissidenten geben wird. STEFAN REINECKE

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