: WAHN UND WORTE
■ „Das Wasser des Nils wird zu Blut werden“ im Sputnik am Stüdstern
Baudelaire darf bei so einer Geschichte nicht fehlen, auch wenn Dostojewskis Schuld und Sühne in einer sehr freien Bearbeitung die literarische Vorgabe zu Das Wasser des Nils wird zu Blut werden ist. Die Story des Films schreit förmlich danach, zumindest einmal ganz dicke Baudelaires Die Blumen des Bösen in die Optik zu rücken, um auch den letzten Zweifel zu beseitigen, hier könnte gängige Krimiware gehandelt werden: ein erfolgloser Schriftsteller, besessen von der Suche nach 'der Wahrheit‘, schreckt dabei auch vor Gewalt und Verbrechen nicht zurück und begegnet Lee, einer religiösen Wahnfrau, die in Oliver ihren Erlöser sieht und ihm folgt.
Das Wasser des Nils wird zu Blut werden ist ein Film der Worte ohne Schauspieler, ein Film der menschengeleerten Orte; Frank Behnke hat in seinem filmerzählerischen Experiment bewußt darauf verzichtet, eine Spielfilmhandlung zu inszenieren. In der Auseinandersetzung mit der zentralen Behauptung des Films - „Ich glaube, der Mensch hat das Recht, den Tod herbeizuführen, genauso wie er das Leben zeugt“ - wird der Mensch vorab überflüssig und kann von der Bühne abtreten - auf der sich ein (gestörter?) Geist breitmacht in dem Glauben, seine Wahrheit endlich in einer neuen Moral des Mordens gefunden zu haben. Mit einfühlsamer Kameraarbeit (Reinhold Vorschneider) werden die Tatorte der Irrwege aufgespürt, auf denen Oliver und Lee gestrauchelt sind, während eine Stimme aus dem Off ihre eigentliche Geschichte erzählt - „'Füllraum‘ für die Imagination, für die eigenen Bilder des Betrachters“ (F.Behnke) zu lassen.
An der Grundidee des Films liegt es jedenfalls nicht, daß dieser Versuch dann insgesamt doch mißglückt, es hapert an der Geschichte, die an den Bildern vorbei ohne große Resonanz verpufft. Was fehlt, ist eine notwendige Dichte und Atmosphäre der erzählten Handlung, die einem die Phantasie an die Tatorte des imaginären Geschehens entführt. Die Geschichte schleppt sich nur mäßig spannend über die Runden, bleibt an nichtssagenden Äußerlichkeiten hängen und entzieht sich selbst dem Sog der Wahnsysteme seiner beiden Figuren. Von irgendeiner Form von Besessenheit ist dabei kaum etwas zu spüren, die vermeintlich psychische Tiefe und Brisanz wird durch die Worte zu bloßer oberflächlicher Fassade; es bleibt das seltsame Gefühl, daß mehr dahinter steckt, aber eine wirkliche Lust und Neugier, dieses mehr aufzuspüren, stellt sich nicht ein.
DOA
„Das Wasser des Nils wird zu Blut werden“ ab heute täglich um 20 Uhr im Sputnik Südstern.
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