: Voyeuristisch
■ betr.: „Vergnügen ohne Umsatz“, taz vom 27. 12. 95
Als Gästin der beschriebenen Party, als Hure und als Klägerin gegen einen Freier, über dessen erfolgreichen Gerichtsprozeß Sie kürzlich berichteten, mußte ich leider feststellen, daß Sie einen Unterschied machen im Journalismus über Prostition, der Sache an sich und den Prostituierten, den Hauptakteurinnen. Während Sie über Begleitumstände und die politischen Forderungen für unser Geschäft vorurteilsfrei recherchieren und sachlich bis hin zu parteilich berichten, entgleitet Ihnen offensichtlich Ihr sonst fairer Schreibstil ins voyeuristische, schlüpfrige und vulgäre.
Die Sprache in obigem Artikel ist süffisant, die Beschreibungen beleidigend bis hin zu diskriminierend, zum Teil entsprechen die Aussagen nicht den Tatsachen und sind glattweg gelogen, und gängige Klischees werden bestätigt, ohne daß es bei der Party Ansatzpunkte dazu gab. Warum fällt es Ihnen so schwer, Prostituierte als „Frauen wie andere auch“ zu erkennen und zu sehen?
[...] Bedenkt man/frau, daß sich die taz seit Jahren aus moralischen Gründen weigert, von uns Huren gegen Geld Kontaktanzeigen aufzunehmen, ist es doch sehr kritikwürdig, wenn sie sich nicht scheut, uns voyeuristisch wie andere Boulevardzeitungen auch, für höhere Auflagen zu benutzen. Stephanie Klee, highLights
[...] Wenn denn Prostitution so normal wäre wie Brötchen backen oder Autos bauen, wäre der Artikel wohl kaum die Druckerschwärze wert. Oder habe ich die Berichte der Weihnachtsfeiern von Ostrowski und BMW übersehen? Warum also ein Bericht über eine Weihnachtsfeier im Puff? [...] Thomas Bernecker
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