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Voscherau schlägt zurück

Der Bürgermeister-Brief zu neuen „Randständigen“-Gesetzen: SPD-Streit um Bettler „böswillig aus eigenen Reihen angezettelt“  ■ Von Silke Mertins

Ein scharfer Wind weht durch die SPD-Gemächer des Rathauses. Im sozialdemokratischen Konflikt um den Umgang mit Armut und Elend in der Innenstadt hat sich nun der Erste Bürgermeister Henning Voscherau höchstselbst eingeschaltet. In einem Brief an die SPD-Bürgerschaftsabgeordneten, der der taz vorliegt, bezeichnet er den „öffentlichen Streit“ um schärfere Gesetze gegen Randständige als „unnötig, ja, böswillig aus den eigenen Reihen angezettelt“. Ungeheuerlich sei die „Diffamierung“ des Innenbehörden-Papiers „Maßnahmen gegen die drohende Unwirtlichkeit der Städte“, als dessen Drahtzieher Voscherau gilt. Niemand müsse sich „die Unterstellung bieten lassen, er assoziiere Randständige mit ,Parasiten'“, schreibt Voscherau.

Der Bürgermeister reagiert damit auf das taz-Interview des Eimsbütteler SPD-Chefs und Landesvorstands-Mitglieds, Heinz Uthmann. Der hatte scharf kritisiert, daß mit dem Titel des Buches von Alexander Mitscherlich, „Unwirtlichkeit der Städte“, Mißbrauch getrieben und im Zusammenhang mit Armen „die Assoziationskette Wirt, Unwirt, Parasit ausgelöst“ würde. In einem Schreiben an den Landesvorstand von dieser Woche bittet Uthmann „eindringlich und herzlich“ darum, sich in der nächsten Vorstandssitzung mit dem Thema zu befassen. Diese Sitzung könne nur „mit dem Ziel geführt werden, den Innensenator aufzufordern, die Arbeiten an dieser Drucksache einzustellen, bevor die Seriosität unserer Innenpolitik ernsthaft und auf Dauer Schaden nimmt“.

Für Randständige würde in Hamburg schon genug getan, glaubt und schreibt jedoch Voscherau. Die Angriffe seien unberechtigt. „Gegen diese Art von Feindseligkeiten in den eigenen Reihen habe ich mich schon auf dem Landesparteitag am 23./24. August 1996 verwahrt – offenbar fruchtlos“, schiebt der Bürgermeister Frust. Auf dem Parteitag ging es um gemeinnützige Arbeit für Sozialhilfeempfänger.

Doch trotz Voscheraus Machtwort im August fließt weiter sozialdemokratisches Herzblut. Die Sozialsenatorin, die zur Parteilinken zählende Helgrit Fischer-Menzel, beklagte schriftlich die „verheerende Stoßrichtung“ der Bettler-raus-Initiative. Der Drucksachenentwurf stelle eine „völlige Kehrtwende bisheriger Senatspolitik“ dar.

Mit ihrem Brief an den Innensenator habe Fischer-Menzel gegen die „Kleiderordnung“ des Senats verstoßen, greift Voscherau in seinem Schreiben an die Genossen die Sozialsenatorin jetzt direkt an: Den politischen Spielregeln „wird Helgrits öffentlich bekannt gewordener Brief nicht gerecht“.

Er, Voscherau, sei für eine „saubere Stadt“. Störende Verhaltensweisen von Randständigen zu dulden wäre „eine Verirrung und gäbe die zivile Bürgergesellschaft preis“. Mit freundlichen Grüßen, „Euer Henning Voscherau“.

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