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Vorwurf der Polizeigewalt in WeimarBloß nicht die Polizei anzeigen!

Seltsamer Vorgang: Weil sie Ermittlungen gegen Beamte forderten, fanden sich drei Weimarer auf der Anklagebank wieder.

Polizeibeamte vor Weimarer Klassik. Bild: dpa

WEIMAR taz | Es waren schwere Vorwürfe, die Emöke K. im Sommer 2012 erhob: Von Erniedrigungen war da die Rede, von Schlägen und Beleidigungen, rassistischen Drohungen und anzüglichen Gesten. Nicht vor dem Eintreffen der Polizisten, sondern danach. Bis heute erinnert sie eine lange Narbe auf dem linken Unterarm an ihren Aufenthalt in einer Gewahrsamszelle der Weimarer Polizei.

Emöke K. war zusammen mit weiteren Verdächtigen festgenommen worden, nachdem in ihrer Nähe ein Bauzaun umgeworfen worden war. Der Verdacht bestätigte sich nicht, auf die Anklagebank kamen Emöke K. und zwei weitere damals Beschuldigte dennoch.

Der Grund: Ihre Vorwürfe gegen die Polizeibeamten seien erlogen, die Straftaten vorgetäuscht. Im Februar begann der Prozess, für Donnerstag war die Urteilsverkündung vorgesehen. Stattdessen wurde das Verfahren eingestellt.

Während der fünf Verhandlungstage war im großen Schöffensaal des Weimarer Amtsgerichts das Bild einer Polizei entstanden, die Prinzipien wie die Verhältnismäßigkeit der Mittel nicht kennt. Zum Standard der polizeilichen Mittel in Weimar gehören etwa die nackte Durchsuchung und die sogenannte Nachschau in Körperöffnungen. Auch die festgenommenen Weimarer mussten diese damals über sich ergehen lassen.

Rüge vom Richter

Derartige Eingriffe in die Intimsphäre der Verdächtigen seien für ihn nichts Außergewöhnliches, erklärte einer der Beamten. Selbst dem sonst so zurückhaltenden Richter Karl-Heinrich Götz war die Ungläubigkeit darüber anzumerken. Schließlich soll mit den Durchsuchungen eigentlich verhindert werden, dass Waffen in die Gewahrsamszellen gelangen – Waffen, die wohl nur in seltenen Fällen im Körper von Verdächtigen sein dürften.

Mit einer Rüge bedachte Götz auch die Aussage einer internen Ermittlerin der Polizei: Sie war dafür verantwortlich, die Anzeigen gegen die Polizisten zu prüfen – und damit eigentlich die perfekte Belastungszeugin, um die angeblichen Lügen aufzudecken. Stattdessen offenbarte sie den verblüfften Anwälten eine andere Begründung für die Einstellung der Ermittlungen gegen die Polizeibeamten: Sie sehe grundsätzlich keinen Sinn darin, Aussagen ihrer Kollegen in Uniform in Frage zu stellen. Nach Erklärungen für Widersprüche zwischen den Darstellungen der Polizisten und ihren Protokollen aus der fraglichen Nacht habe sie gar nicht erst gefragt.

Zwar bemühte sich Staatsanwalt Rainer Kästner-Hengst immer wieder, Emöke K. und ihre Begleiter nicht nur physisch, sondern auch in der öffentlichen Wahrnehmung wieder auf die Anklagebank zu bringen. Seine Forderung, die Angeklagten auch dann zu verurteilen, wenn 90 Prozent ihrer Beschuldigungen der Wahrheit entsprächen, dürfte aber eher den entgegengesetzten Effekt gehabt haben.

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6 Kommentare

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  • 6G
    6020 (Profil gelöscht)

    Ich kenne etwa einen Fall, indem Polizeibeamte nur auf „Anweisung“ des Vermieters vor Ort, ohne jegliche richterliche Anordnung, oder auch nur einem entsprechendem Verfahren o.ä., auch ohne Gefahr in Verzug, sondern nur auf die Behauptung des Vermieters auf „Mietrückstand“, die Wohnungstür des Mieters aufbrachen, und Handlanger des Vermieters daraufhin den Hausrat des Mieters in Kartons verpackten und wegschafften.

     

    Bei Erscheinen des Mieters nahmen diese Reißaus, die Kripo die dann kam, verwehrte sich empört gegen meine Aussage (als Zeuge), dass dies mit den Polizeibeamten zu tun haben könnte.

     

    Später wurde in meinem Beisein von einem anderen Polizeibeamten eine Aussage aufgenommen, die den obigen Hergang belegte .. das Verfahren wurde von der Staatsanwaltschaft wg. nicht vorhandenem offentl. Interesse eingestellt!

     

    Kenne dazu 2 ähnliche Vorfälle von Polizeiwillkür im Rahmen von Entmietungs-Vorgängen mit einhergehenden Rechtsbrüchen und Straftaten, welche polizeilich „gedeckt“ wurden, von Freunden sind mir auch Übergriffe auf Polizeiwachen bekannt ..

     

    Ich sehe das so, dass Straftaten im „Amt“, dazu noch als Polizist, hart bestraft werden müssten, je nach schwere mit fristloser Kündigung, bis hin zum Entzug der Pensionen, und natürlich bei Anwendung der StGB auch mit Gefängnis.

     

    Da hierbei ein Missbrauch des staatl. Gewaltmonopols vorliegt, muss dies hart geahndet werden, das Gegenteil ist aber der Fall, dass hat mit einem Rechtsstaat nicht zu tun, und ist auch das Gegenteil von Demokratie.

     

    Nun unterscheiden wir uns noch deutlich von Polizeistaaten, aber wehret den Anfängen!

  • Wir haben eine Staatspolizei, keine Bürgerpolizei. Dieser Unterschied ist gravierend. Als "Ordnungsmacht im Inneren" müßte die Polizei an der Seite der Bürger stehen, ihre Rechte ebenso wie ihre Sicherheitsinteressen schützen. Im Zweifelsfall aber schützt die Polizei den Staatsapparat, zu dem sie selbst gehört. Polizeiaussagen wird vor deutschen Gerichten grundsätzlich mehr geglaubt, als Bürgeraussagen. Das ist absurd. Polizisten sollten eigentlich als normale Bürger wie alle anderen auch verstanden werden und keine Sonderrechte genießen (nicht auf dem Papier, aber de facto ist dies der Fall). Seit mein Sohn zur Polizei gehen möchte, habe ich mich über die Ausbildungsmöglichkeiten in Deutschland informiert: Im Gegensatz zu zahlreichen anderen europäischen Ländern gibt es in Deutschland kein Universitätsstudium der Kriminalistik mehr. Wer Kriminalist werden will, tritt vom ersten Tag an in den Polizeidienst ein - an einer der Polizeifachschulen der Länder bzw. am BKA. Auf diese Weise schmort der ganze Laden seit Jahrzehnten im eigenen Saft, außer den Naturwissenscahftlern der KTU kommt kaum einer hinein, dem mal die freiere Luft der "Welt", nämlich der Uni, um die Nase geweht hat. Kein Wunder, daß der Korpsgeist der deutschen Polizei unausrottbar zu sein scheint!

  • 1G
    10391 (Profil gelöscht)

    Die ARD hat mal einen Interessanten Bericht zu diesm Thema gebracht:

    https://www.youtube.com/watch?v=4No8mFJsOWE

    • 6G
      6020 (Profil gelöscht)
      @10391 (Profil gelöscht):

      Kann ich auch nur empfehlen, die Doku "Die Story im Ersten - Polizei, Gewalt und Videos", leider gerade mal 550 Aufrufe auf youtube, klar verkleidete Katzen und Hunde etc. kommen da besser an ...

  • Ein grundsätzliches Problem in Deutschland. Egal ob die Ereignisse um Stuttgart21, prügelnde Polizisten in Rosenheim (Bayern) oder rassistische Übergriffe in NRW.

     

    Aufklärung wird verschleppt, Staatsanwaltschaften haben wenig bis kein Interesse an Anklagen gegen Polizeibamte und wenn es doch dazu kommt, fallen Urteile selbst bei schwerer und gefährlicher Körperverletzung erstaunlich oft unter einem Jahr aus, was bedeutet, der Polizeibeamte hat nicht mit dienstlichen Konsequenzen rechnen muss.

     

    In Deutschland fehlen unabhängige Ermittlungsbehörden, die Fälle von Polizeigewalt untersuchen. Stattdessen hackt in Deutschland eine Krähe der anderen kein Auge aus.

  • Das erinnert mich an die Ermittlungen bei S21. Erst als der schwarze Filz weg vom Ruder war, wurde genauer hingeschaut,...... aber nicht von allen...